Überstunden im Arbeitsverhältnis

Überstunden sind ein häufiges Thema im Arbeitsrecht, das viele Arbeitnehmer und Arbeitgeber beschäftigt. Dabei stellt sich oft die Frage, ob Überstunden, die auf Anordnung oder mit Billigung des Arbeitgebers über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistet werden, vergütet werden müssen oder ob sie mit der vereinbarten Vergütung abgegolten sind. In diesem Beitrag möchten wir Ihnen einen Überblick über die rechtliche Situation geben und Ihnen einige wichtige Urteile des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zu diesem Thema vorstellen.

Grundsätzlich sind Überstunden, die auf Anordnung oder mit Billigung des Arbeitgebers über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistet werden, zu vergüten. Dies ergibt sich aus § 612 Abs. 1 BGB, wonach eine Vergütung als stillschweigend vereinbart gilt, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Die Höhe der Vergütung kann sich aus dem Arbeitsvertrag, einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einer betrieblichen Übung ergeben. Fehlt eine solche Regelung, ist die Vergütung nach der für die gleiche oder eine gleichartige Tätigkeit üblichen Vergütung zu bemessen.

Pauschale Überstundenvergütung

Der Arbeitgeber kann jedoch mit dem Arbeitnehmer eine Pauschalabgeltung der Überstunden vereinbaren, d.h. die Überstunden sind mit dem Grundgehalt oder einem Zuschlag abgegolten. Eine solche Vereinbarung muss jedoch wirksam sein, um den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers auszuschließen. Die Wirksamkeit einer Pauschalabgeltungsklausel hängt von verschiedenen Faktoren wie Form, Inhalt, Transparenz und Angemessenheit der Klausel ab.

Die Form einer Pauschalabgeltungsklausel bedarf der Schriftform, um den Anforderungen des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu genügen. Dies bedeutet, dass die Klausel in einem Arbeitsvertrag, einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung enthalten sein muss. Eine mündliche Vereinbarung oder eine einseitige Anordnung des Arbeitgebers reicht nicht aus.

Der Inhalt einer Abgeltungsklausel muss klar und verständlich sein, um den Anforderungen des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zu genügen. Dies bedeutet, dass sich aus der Klausel eindeutig ergibt, welche Überstunden abgegolten sind, wie viele Überstunden abgegolten sind, in welcher Höhe die Abgeltung erfolgt und ob die Abgeltung nach oben begrenzt ist. Eine unklare oder unverständliche Klausel ist unwirksam und führt dazu, dass der Arbeitnehmer nach § 612 Abs. 1 BGB die Abgeltung seiner Überstunden verlangen kann.

Eine Pauschalabgeltungsklausel muss transparent sein, um den Anforderungen des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu genügen. Dies bedeutet, dass die Klausel nicht in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Arbeitgebers versteckt sein darf, sondern dem Arbeitnehmer bei Vertragsschluss ausdrücklich zur Kenntnis gebracht werden muss. Eine versteckte oder überraschende Klausel ist unwirksam und führt dazu, dass der Arbeitnehmer die Vergütung seiner Überstunden nach § 612 Abs. 1 BGB verlangen kann.

Eine Pauschalabgeltungsklausel muss angemessen sein, um den Anforderungen des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zu genügen. Dies bedeutet, dass die Klausel nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers führen darf, die mit den Geboten von Treu und Glauben nicht vereinbar ist. Eine unangemessene Benachteiligung liegt vor, wenn die Klausel eine unverhältnismäßig hohe Anzahl von Überstunden ausgleicht, eine unverhältnismäßig niedrige Abgeltung vorsieht oder eine unverhältnismäßig hohe Obergrenze für die Abgeltung festlegt. Eine unangemessene Benachteiligung ist unwirksam und führt dazu, dass der Arbeitnehmer die Vergütung der Überstunden nach § 612 Abs. 1 BGB verlangen kann.

Keine Vergütung für besondere Arbeitnehmergruppen

Es gibt jedoch Gruppen von Arbeitnehmern, die im Sinne von § 612 Abs. 1 BGB keine Vergütung für Überstunden erwarten dürfen. Dies sind vor allem Arbeitnehmer, die eine sehr hohe Vergütung erhalten oder eine leitende Position innehaben. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in mehreren Urteilen entschieden, dass diese Arbeitnehmer in erster Linie nach der Erfüllung ihrer Arbeitsaufgaben und nicht nach der Ableistung eines bestimmten Stundensolls beurteilt werden. Daher fehlt ihnen eine berechtigte Vergütungserwartung für Mehrarbeit, die mit der vereinbarten Vergütung abgegolten ist.

Ein Beispiel für ein solches Urteil ist das vom Bundesarbeitsgericht am 01.09.2010 gefällte Urteil (Az. 5 AZR 517/09), in dem es um einen Abteilungsleiter ging, der ein Jahresgehalt von 120.000 Euro erhielt. Das BAG stellte fest, dass dieser Arbeitnehmer zu den sogenannten “Besserverdienern” gehörte, die keine Vergütung für Überstunden verlangen konnten. Das BAG begründete dies damit, dass der Arbeitnehmer eine hohe Eigenverantwortung hatte, seine Arbeitszeit weitgehend selbst bestimmen konnte und seine Vergütung deutlich über der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung lag.

Die Beitragsbemessungsgrenze für die gesetzliche Rentenversicherung beträgt im Jahr 2023 85.200 Euro in den alten Bundesländern und 80.400 Euro in den neuen Bundesländern. Das bedeutet, dass Arbeitnehmer, die mehr als diese Beträge verdienen, keine Vergütung für Überstunden verlangen können, es sei denn, es gibt besondere Gründe, die eine Vergütungserwartung begründen.

Ein weiteres Beispiel ist das vom Bundesarbeitsgericht am 17.04.2013 gefällte Urteil (Az. 5 AZR 122/12) , in dem es um einen Geschäftsführer einer GmbH ging, der ein Jahresgehalt von 150.000 Euro erhielt. Das BAG entschied, dass auch dieser Arbeitnehmer keine Vergütung für Überstunden beanspruchen konnte. Das BAG führte aus, dass der Arbeitnehmer eine leitende Position hatte, die mit einer umfassenden Entscheidungsbefugnis und einer weitgehenden Unabhängigkeit von Weisungen verbunden war. Zudem war seine Vergütung so hoch, dass sie auch eine etwaige Mehrarbeit angemessen abdeckte.

Diese Urteile zeigen, dass es für die Frage der Vergütungspflicht von Überstunden nicht nur auf die vertragliche Vereinbarung, sondern auch auf die tatsächlichen Umstände des Arbeitsverhältnisses ankommt. Dabei spielen vor allem die Höhe der Vergütung, die Art der Tätigkeit, die Stellung im Unternehmen und die Gestaltungsmöglichkeiten bei der Arbeitszeit eine Rolle.

Eine pauschale Abgeltung von Überstunden mit der Vergütung ist eine Möglichkeit, um die Abrechnung von Mehrarbeit zu vereinfachen. Allerdings muss eine solche Vereinbarung bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um wirksam zu sein. Eine pauschale Abgeltungsklausel muss schriftlich erfolgen, klar und verständlich sein, transparent und angemessen sein. Außerdem darf sie nicht gegen das Arbeitszeitgesetz verstoßen, das eine maximale Arbeitszeit von 48 Stunden pro Woche vorsieht.

Weitere Informationen zum Thema „Überstunden“ finden Sie auch auf unserer Internetseite unter folgenden Links:

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Björn Steveker

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Fachanwalt für Arbeitsrecht
Axel Knieps

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