Keine Überstundenvergütung ohne Angaben zur täglichen Arbeitszeit

Das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven hat in einer Rechtssache (Urteil v. 13.04.2021, Az. 7 Ca 7186/20), in der wir die Beklagte vertreten haben, über einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Überstundenvergütung entschieden und hierbei erneut (vgl. auch ArbG Bremen, Urteil v. 28.01.2021, 3 Ca. 3148/20) die Darlegungs- und Beweislast wie folgt erläutert:

Im Namen des Volkes!

Urteil

In dem Rechtsstreit

Herrn D.

– Kläger –

gegen

GmbH,

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Witte & Steveker,

hat die 7. Kammer des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven auf die mündliche Verhandlung vom 13. April 2021 durch die Richterin am Arbeitsgericht L. als Vorsitzende sowie die ehrenamtliche Richterin B. und den ehrenamtlichen Richter B. für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf EUR 10.490,00 festgesetzt.
  4. Die Berufung wird – soweit sie nicht bereits kraft Gesetzes statthaft ist – nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten nach beendetem Arbeitsverhältnis noch um Nettolohnansprüche des Klägers gegen die Beklagte.

Der Kläger war seit dem 2.1.2018 bei der Beklagten als Lkw-Fahrer beschäftigt.

Mit Schreiben vom 30.10.2020 hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30.11.2020 gekündigt. Das Schreiben ist dem Kläger am 2.11.2020 zugegangen.

Mit Klageschrift vom 4.11.2020 hat der Kläger gegen die Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben und zugleich eine Nettozahlung von 7.920,- € gegen die Beklagte eingeklagt.

Im Rahmen der Güteverhandlung am 4.12.2020 haben die Parteien den folgenden – zwischenzeitlich rechtskräftigen – Teil-Vergleich mit einer Einigung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschlossen:

  1. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wird aufgrund ordentlicher, arbeitgeberseitiger Kündigung vom 30.10.2020 aus betrieblichen Gründen mit dem Ablauf des 31.12.2020 sein Ende finden.
  2. Die Beklagte verpflichtet sich, an den Kläger für den Monat Oktober 2020 1.070,00 € brutto zzgl. Auslöse und Verpflegungsmehraufwand in Höhe von insgesamt 240,00 € netto zu zahlen. Die Beklagte verpflichtet sich, für den Monat November 2020 1.070,00 € brutto zzgl. Auslöse und Verpflegungsmehraufwand in Höhe von zusammen 240,00 € netto zu zahlen. Die Beklagte verpflichtet sich, für den Monat Dezember 2020 an den Kläger 1.070,00 € brutto zzgl. Verpflegungsmehraufwand und Auslöse in Höhe von 240,00 € netto zu zahlen.
  3. Der Kläger wird ab sofort unwiderruflich unter Fortzahlung der vertragsgemäßen Vergütung von der Erbringung der Arbeitsleistung unter Anrechnung auf Urlaubs-und sonstige Freizeitausgleichsansprüche freigestellt.
  4. Damit ist der Klageantrag zu 1. und 2. aus der Klageschrift vom 04.11.2020 erledigt.

Im Folgenden hat der Kläger seine Zahlungsklage weiterverfolgt. Im Laufe des Verfahrens hat der Kläger geltend gemacht, dass seine Forderungen gegen die Beklagte tatsächlich noch höher seien und er Nettolohnansprüche i.H.v. 10.490,- € gegen die Beklagte habe.

Der Kläger ist der Auffassung, die Parteien hätten ein monatliches Bruttogehalt von 900,­€ zzgl. 156,- € netto „Auslösung“ sowie 84,- € netto „Verpflegung pauschal AG“ bei einer vereinbarten Arbeitszeit von 24 Stunden wöchentlich vereinbart. Tatsächlich habe er aber bis zu 35 Stunden pro Woche für die Beklagte gearbeitet. Dies ergebe sich aus den Ausdrucken der Fahrerkarte, welche bei der Beklagten lägen. Die „Auslösung“ i.H.v. 156,­€ netto monatlich und die „Verpflegung pauschal AG“ i.H.v. 84,- € netto monatlich habe die Beklagte ab Beginn des Arbeitsverhältnisses nicht an ihn ausbezahlt. Daher stünden dem Kläger für 33 Monate insgesamt noch 7.920,- € netto gegen die Beklagte zu.

Es sei zwar zutreffend, dass in den monatlichen Abrechnungen (vgl. die Abrechnungen Bl.49 bis 60 der Akten) „Auslöse“ und „Verpflegung“ bezahlt worden seien, nach Auffassung des Klägers seien damit jedoch seine geleisteten Überstunden vergütet worden.

Wenn sich die Beklagte auf den Standpunkt stelle, sie habe die „Auslösung“ und die „Verpflegung pauschal AG“ bezahlt, so stünde ihm noch eine Überstundenvergütung zu. Er habe im Zeitraum von Januar 2018 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses 1049 Stunden geleistet, die die Beklagte nicht vergütet habe. Bei einer vereinbarten Nettovergütung von 10,- € pro Stunde ergebe dies 10.490,- € für nicht gezahlte Überstunden. Bezüglich der Auflistung der geleisteten Arbeitsstunden wird auf die vom Kläger erstellte Liste auf Bl. 40 und 41 der Akten Bezug genommen. Ferner hat der Kläger handschriftliche Stundenaufzeichnungen zur Akte gereicht (vgl. Bl. 64-66, 68, 70, 72, 74 der Akte)

Im Übrigen stünden ihm durch die 3-jährige Betriebszugehörigkeit noch 36 Urlaubstage zu.

Der Kläger beantragt zuletzt,

die Beklagte zu verurteilen, 10.490,- € netto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.10.2020 an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Klage sei unschlüssig. Die Beklagte habe die geschuldete Vergütung stets an den Kläger bezahlt. Dies seien monatlich 1.070,- € brutto zuzüglich „Auslösung“ und „Verpflegung pauschal AG“, sofern der Kläger die Voraussetzungen der §§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG, 9 Abs. 5 EStG (steuerlich zulässige Beträge) erfüllt und insbesondere mehr als acht Stunden gearbeitet habe. Ein Anspruch auf einen Festbetrag an „Auslösung“ oder „Verpflegung“ sei nicht vereinbart worden. Im Übrigen habe der Kläger die Beklagte wiederholt darüber getäuscht, dass er während der von ihm dokumentierten Arbeitszeit tatsächlich gar nicht gearbeitet habe, sondern Privatangelegenheiten erledigt habe.

Ein Anspruch auf Überstundenvergütung stehe dem Kläger ebenfalls nicht zu. Die Stundenauflistung des Klägers im Zusammenhang mit seinem weiteren Vortrag und insbesondere den eingereichten Abrechnungen und Stundenlisten sei widersprüchlich und nicht einlassungsfähig. So habe der Kläger nach seiner Auflistung monatlich 850,- € netto erhalten, dabei habe er tatsächlich 1.070,- € brutto zzgl. Verpflegungsmehraufwand und Auslösung erhalten. Der Kläger habe zudem nicht dargelegt, wann genau er aus welchem Grunde und auf wessen Anordnung hin gearbeitet habe. Im Übrigen sei ein Stundenlohn von 10,- € brutto vereinbart worden. Dies ergebe sich aus der selbst vom Kläger eingereichten Änderungsvereinbarung zum Anstellungsvertrag (vgl. Bl 46 d.A.).

Richtig sei, dass dem Kläger über die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses hin 36 Urlaubstage zustünden, dieser Urlaub sei jedoch durch den Vergleich in natura erfüllt worden.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Dem Kläger steht kein fester Anspruch auf Monatspauschalen für „Auslösung“ und „Verpflegung pauschal AG“ gegen die Beklagte zu.

Eine entsprechende Vereinbarung zwischen den Parteien hat der Kläger weder substantiiert dargelegt, noch bewiesen. Im Übrigen ergibt sich aus den zur Akte gereichten Abrechnungen, dass die Beklagte in jedem Monat entsprechende Beträge bezahlt hat, manchmal mehr, manchmal weniger als vom Kläger geltend gemacht.

Der Kläger hat auf diesen Einwand hin nicht dargelegt, wann in welchen Monaten die Monatspauschalen nach seiner Auffassung nicht in vollständiger Höhe bezahlt worden seien. Insoweit konnte der Klage wegen der Begründung, die Beklagte habe entsprechende Monatspauschalen nicht bezahlt, nicht stattgegeben werden.

II.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Überstundenvergütung aus §§ 611 ff BGB in Höhe von insgesamt 10.490,- € netto für geleistete Überstunden.

1.

Verlangt der Arbeitnehmer aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung, tarifvertraglicher Verpflichtung des Arbeitgebers oder § 612 Abs. 1 BGB Arbeitsvergütung für Überstunden, hat er darzulegen und – im Bestreitensfall – zu beweisen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat. Dabei genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, indem er vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern und im Einzelnen vortragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen – nicht – nachgekommen ist. Diese Grundsätze dürfen aber nicht gleichsam schematisch angewendet werden, sondern bedürfen stets der Berücksichtigung der im jeweiligen Streitfall zu verrichtenden Tätigkeit und der konkreten betrieblichen Abläufe (BAG 16. Mai 2012 – 5 AZR 347/11 – Rn. 27 und 28, NZA 2012, 939).

Der Arbeitgeber ist nach § 611 Abs. 1 BGB zur Gewährung der vereinbarten Vergütung für die vereinbarte Arbeitsleistung verpflichtet. Legen die Parteien einen bestimmten zeitlichen Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung (Regel- oder Normalarbeitszeit) fest, betrifft die Vergütungspflicht zunächst (nur) die Vergütung der vereinbarten Normalarbeitszeit. Erbringt der Arbeitnehmer Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang, ist der Arbeitgeber zu deren Vergütung nur verpflichtet, wenn er die Leistung von Überstunden veranlasst hat oder sie ihm zumindest zuzurechnen ist. Denn der Arbeitgeber muss sich Leistung und Vergütung von Überstunden nicht aufdrängen lassen, und der Arbeitnehmer kann nicht durch überobligatorische Mehrarbeit seinen Vergütungsanspruch selbst bestimmen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Vergütungspflicht für Überstunden auf arbeitsvertraglicher Vereinbarung, tarifvertraglicher Verpflichtung des Arbeitgebers oder § 612 Abs. 1 BGB beruht. Für diese arbeitgeberseitige Veranlassung und Zurechnung als – neben der Überstundenleistung – weitere Voraussetzung eines Anspruchs auf Überstundenvergütung hat das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung formuliert, Überstunden müssten vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeiten notwendig gewesen sein. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass geleistete Überstunden angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit erforderlich waren, trägt der Arbeitnehmer als derjenige, der den Anspruch erhebt (BAG 10. April 2013 – 5 AZR 122/12 – Rn. 13-15, NZA 2013, 1100).

2.

Ausgehend von diesen Grundsätzen genügt der Vortrag des Klägers den sich hieraus ergebenden Anforderungen an die ihm obliegende Darlegungslast nicht.

Zunächst hat der Kläger eine entsprechende Nettolohnvereinbarung weder substantiiert dargelegt noch bewiesen. Vielmehr ergibt sich aus der vom Kläger vorgelegten -allerdings nicht unterschriebenen- Änderungsvereinbarung, dass ein Stundenlohn von 10,- € brutto vereinbart wurde.

Ferner hat der Kläger, trotz entsprechendem gerichtlichen Hinweis durch Beschluss vom 11.01.2021 nicht dargelegt, an welchen Tagen und zu welchen Zeiten er über die übliche Arbeitszeit gearbeitet hat. Er hat lediglich eine Auflistung eingereicht, aus der sich eine monatliche Arbeitsstundenzahl ergibt. Dies genügt den Anforderungen an die Darlegungslast des Klägers nicht. Das Gericht ist zudem nicht verpflichtet, sich aus Anlagen etwaige Informationen herauszusuchen, die in diesem Fall auch teilweise unleserlich und unverständlich sind und aus denen sich ebenfalls nicht ergibt, von wann bis wann der Kläger an welchen Tagen gearbeitet hat.

Im Ergebnis konnte daher nicht erkannt werden, dass dem Kläger noch Zahlungen aufgrund geleisteter Überstunden gegen die Beklagte zustehen.

III.

Eine Urlaubsabgeltung hat der Kläger nicht eingeklagt und auch nicht berechnet, sodass hierüber keine Entscheidung zu fällen war.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 98 ZPO. Der Wert des Streitgegenstands war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen, seine Höhe folgt aus § 42 GKG und §§ 3 ff ZPO und entspricht dem eingeklagten Zahlungsbetrag in Höhe von 10.490,- €. Hiervon zu unterscheiden ist der Verfahrenswert, der vorliegend bei insgesamt 13.700,- € liegt, da für den Kündigungsschutzantrag hinsichtlich der Kündigung vom 30.10.2020 3 Bruttomonatsgehälter á 1.070,- €, d.h. insgesamt 3.210,- €, dem Urteilsstreitwert hinzuzurechnen sind.

Aufgrund des Grundsatzes der einheitlichen Kostenentscheidung war über den gesamten Verfahrenswert eine Kostenentscheidung zu fällen. Aufgrund des geschlossenen Teilvergleichs haben sich die Parteien die Kosten für den Kündigungsschutzantrag in analoger Anwendung von § 98 ZPO zu teilen, d.h. die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens hinsichtlich eines Wertes von 1.605,- € und damit 12 Prozent der Kosten und der Kläger hinsichtlich eines Wertes von 12.095,- und damit 88 Prozent der Kosten des Verfahrens.

Die Berufung ist zulässig nach § 64 Abs. 2 b ArbGG.

(nrk)

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Björn Steveker

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Fachanwalt für Arbeitsrecht
Kim Mirow

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