ArbG Oldenburg zur Umsetzung und Abmahnung im öffentlichen Dienst

Das Arbeitsgericht Oldenburg hat sich in einer lesenswerten Entscheidung mit der Frage beschäftigt, aus welchen Gründen ein Amtsleiter im öffentlichen Dienst umgesetzt und abgemahnt werden kann.

Arbeitsgericht Oldenburg
Im Namen des Volkes!
Urteil

7 Ca 29/22 Ö

In dem Rechtsstreit
W

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frank Witte u Björn Steveker, Stettiner Straße 12-14, 27232 Sulingen

gegen

Gemeinde (…), vertreten durch den Bürgermeister

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte (…), Oldenburg

hat die 7. Kammer des Arbeitsgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 04.05.2022 durch die Richterin am Arbeitsgericht Dr. K. als Vorsitzende sowie den ehrenamtlichen Richter Herrn R. und den ehrenamtlichen Richter Herrn L. als Beisitzer für
Recht erkannt:

  1. Es wird festgestellt, dass die Umsetzung des Klägers vom 17.01.2022 unwirksam ist.
  2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger als Amtsleiter des Amtes 50 der Gemeinde N. zu beschäftigen.
  3. Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 09.02.2022 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.
  4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  5. Der Streitwert wird auf 17.499,- € festgesetzt.
  6. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Umsetzung, über Weiterbeschäftigung und über die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte.
Der am 08.07.1963 geborene, verheiratete Kläger ist seit dem 01.04.2002 für die Beklagte tätig. Er ist seitdem durchgehend als Amtsleiter für das Amt 50 eingesetzt. Er erhält eine Vergütung nach Entgeltgruppe 11 Stufe 6 TVöD, d.h. monatlich 5.833,- € brutto. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst Anwendung.

Anfang Dezember 2021 reichte der Kläger eine Beschwerde beim Personalrat der Beklagten, dem u.a. zwei Mitarbeiter des Amtes 50 angehören, ein. Er führte darin aus, seit vielen Jahren wiederkehrenden Mobbinghandlungen gegen seine Person ausgesetzt zu sein, für die der Bürgermeister der Beklagten verantwortlich sei. Er (der Kläger) habe in den letzten Jahren im Rahmen von zum Teil sehr konfliktbelasteter Kommunikation zwischen dem Bürgermeister und ihm viel aushalten müssen. Jetzt sei für ihn ein Punkt erreicht, um gegen die immer wiederkehrenden Mobbingattacken vorzugehen. Die Mobbinghandlungen beeinträchtigten und belasteten ihn enorm beim Erfüllen seiner Arbeitspflicht und wirkten sich negativ auf seine Leistungsfähigkeit und seine Gesundheit aus. Darüber hinaus leide die Arbeitsatmosphäre innerhalb der Verwaltung, in Besprechungen und Sitzungen zunehmend, was leider auch Außenstehenden nicht verborgen geblieben sei. Deshalb bitte er den Personalrat, den Aggressor aufzufordern, die Mobbinghandlungen zu unterlassen und sich in Zukunft um eine konstruktive Zusammenarbeit zu bemühen.

Der Personalrat kam bei seiner Bewertung zu dem Ergebnis, dass kein Mobbing vorliege. Er empfahl beiden Beteiligten die Durchführung einer Mediation, um den Konflikt beizulegen. Der Kläger war dazu bereit, der Bürgermeister lehnte dies ab.

Mit Schreiben vom 10.01.2022 (Bl. 77 ff. d. E-Akte) informierte die Beklagte den Personalrat über eine beabsichtigte Umsetzung. Auf den Inhalt des Schreibens wird verwiesen. Der Perso-nalrat stimmte mit Schreiben vom 12.01.2022 zu (Bl. 80 d. E-Akte).

Mit Schreiben vom 17.01.2022 (Bl. 18 d. E-Akte) erklärte die Beklagte eine Umsetzung mit folgendem Inhalt:

„(…) hiermit entbinde ich Sie mit sofortiger Wirkung und bis auf Weiteres von Ihrem bisherigen Aufgabenbereich als Leiter des Amtes 50 der Gemeinde N und weise Ihnen stattdessen einen anderen inhaltlich gleichwertigen Aufgabenbereich zu.

Ich beauftrage Sie mit der Erstellung einer Konzeption für den Aufbau einer gemeindlichen Seniorenarbeit unter Einbindung der schon vor Ort vorhandenen Strukturen (Bürgerstiftung, kirchliche Seniorenarbeit). In dem zu erarbeitenden Konzept bitte ich räumliche, personelle und finanzielle Notwendigkeiten für einen kurz- und mittelfristigen Zeitraum (2023 – 2028) darzustellen. Die Vorlage der Konzeption soll spätestens bis zum 31.12.2022 erfolgen. Bis dahin legen Sie mir bitte jeweils zum Monatsende einen Zwischenbericht über den jeweils aktuellen Bearbeitungsstand vor.
Für die Dauer der Tätigkeit sind Sie keinem Amt zugeordnet und direkt mir als Bürgermeister unterstellt.“

Ebenfalls mit Schreiben vom 17.01.2022 (Bl. 17 d. E-Akte) hörte die Beklagte den Kläger zu einer beabsichtigten Abmahnung an. Mit Schreiben vom 09.02.2022 (Bl. 26 f. d. E-Akte) erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung. Auf den Inhalt des Abmahnungsschreibens wird verwiesen. Darin wird u.a. ausgeführt:

„(…) Anfang Dezember 2021 haben Sie sich mit einer Beschwerde über meine Person an den Personalrat gewandt und dabei behauptet, dass ich verantwortlich für seit Jahren wiederkehrende Mobbinghandlungen gegen Sie sei. Diese wirkten sich nicht nur auf Ihre Leistungsfähigkeit, sondern auch auf Ihre Gesundheit aus. Weiter haben Sie behauptet, dass die Arbeitsat-mosphäre innerhalb der Verwaltung, in Besprechungen und Sitzungen zunehmend leide, was auch Außenstehenden nicht verborgen geblieben sei. Schließlich haben Sie mich als Aggressor bezeichnet und den Personalrat gebeten, mich aufzufordern, die Mobbinghandlungen zu unterlassen und mich in Zukunft um eine konstruktive Zusammenarbeit zu bemühen. Der Personalrat hat Ihre Vorwürfe einer eigenen Prüfung unterzogen und hat diese dabei nicht bestätigt gefunden. Tatsächlich sind Ihre Vorwürfe unbegründet und fußen günstigstenfalls auf Ihrem subjektiven Empfinden.

Durch die unberechtigten Vorwürfe haben Sie den Betriebsfrieden ganz erheblich gestört und Ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis in schwerwiegender Art und Weise verletzt.“

Der Kläger behauptet, er werde seit Jahren vom Bürgermeister die Beklagten schikaniert. Wiederholt habe er den Bürgermeister persönlich um ein klärendes Gespräch gebeten, was dieser jedoch immer abgelehnt habe.

Der Kläger ist der Ansicht, die Umsetzung sei unwirksam, da es sich um eine unzulässige Maß-regelung im Hinblick auf die Beschwerde beim Personalrat handele. Selbst eine unberechtigte Beschwerde stelle eine zulässige Rechtsausübung dar. Zudem sei die neue Tätigkeit nicht gleichwertig zu der bisherigen Tätigkeit als Amtsleiter. Insbesondere habe er dort keine Anordnungs-, Unterschriften- und Zahlungsberechtigung, ebenso keine Personalverantwortung mehr. Auch könne der Wegfall der Funktionsbezeichnung als Amtsleiter und auch der Wegfall der Personalverantwortung als Bedeutungsverlust gewertet werden. Schließlich sei der Personalrat nicht ordnungsgemäß informiert worden, da weder die bisherige noch die neue Tätigkeit mitgeteilt wurde. Der Kläger behauptet, ihm sei vor Aufnahme der Tätigkeit mündlich zugesagt worden, er werde künftig ausschließlich als Amtsleiter für den Fachbereich 50 tätig werden.

Der Kläger ist der Ansicht, auch die Abmahnung sei wegen Verstoßes gegen das Maßrege-lungsverbot unwirksam. Sie sei zudem zu unbestimmt und inhaltlich falsch. Der Kläger behauptet, er sei mit der Beschwerde konkret geworden und habe dem Personalrat sein Mobbing-Tagebuch zur Einsicht überlassen.

Der Kläger beantragt,

  1. festzustellen, dass die Umsetzung des Klägers vom 17.01.2022 unwirksam ist und
  2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Amtsleiter des Amtes 50 der Gemeinde N. zu beschäftigen sowie
  3. die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 09.02.2022 aus der Personalakte zu entfernen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Zuweisung der neuen Tätigkeit sei wirksam. Insbesondere sei billiges Ermessen gewahrt. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Bürgermeister und Amtsleiter sei zwingend erforderlich. Durch die Mobbingvorwürfe, die der Kläger gegen den Bürgermeister erhoben habe, sei das Vertrauensverhältnis erheblich belastet. Der Kläger habe damit innerhalb der Gemeinde in sehr massiver Art und Weise dem Bürgermeister der Beklag-ten pflicht- und rechtswidriges Handeln zu seinem Nachteil vorgeworfen. Die beim Personalrat eingereichte Beschwerde sei in erster Linie nicht von sachlichem Vorbringen geprägt, aus dem sich durch den Angesprochenen wertende Rückschlüsse ziehen ließen, sondern durch das Vorbringen von subjektiven, den Bürgermeister der Beklagten herabwürdigenden Wertungen. Der Kläger hätte sich bewusst sein müssen, dass er durch seine in den Personalrat hineingetragene Beschwerde zumindest in einem nicht unerheblichen Teil der Mitarbeiterschaft bekannt mache, dass er der Überzeugung sei, dass der Bürgermeister der Beklagten nachhaltig und umfangreich pflichtwidrig handele. Der Kläger habe die Mitarbeiterschaft in sein persönliches Konfliktempfinden bezogen auf den Bürgermeister der Beklagten hineingezogen. Dieser habe kaum eine andere Wahl gehabt, als dem Kläger anderweitige Tätigkeiten zuzuweisen, in denen er nicht mehr als Amtsleiter tätig ist, damit die Mitarbeitenden des Amtes in keinen Loyalitätskonflikt geraten müssten.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Tätigkeit sei gleichwertig. Es komme ausschließlich auf die tarifliche Eingruppierung an. Die neu zugewiesene Tätigkeit erfülle ebenso wie die bisherige die Anforderungen der Entgeltgruppe 11. Dass der Kläger keine Personalverantwortung mehr trage sei grundsätzlich unmaßgeblich, solange es keine Auswirkung auf die Eingruppierung habe. Allein der Titel eines Amtsleiters oder die Vorgesetztenfunktion sei nicht zwingend prägend für die Eingruppierung. Entsprechend habe der Kläger auch keinen Anspruch darauf, dass ihm diese Merkmale seiner bisherigen Tätigkeit erhalten blieben. Die Zuweisung der anderweitigen Tätigkeit sei für ihn mit keinerlei Nachteilen verbunden.

Die Beklagte ist der Ansicht, auch ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot liege nicht vor, da der Kläger mit der erhobenen Beschwerde beim Personalrat seine Rechte nicht in zulässiger Weise ausgeübt habe. Die Beschwerde rüge nicht in erster Linie konkrete Verhaltensweisen, sondern sei von wertenden persönlichen Vorwürfen gegen den Bürgermeister der Beklagten geprägt, die einer Überprüfung nicht standhielten.

Die Beklagte hält schließlich die Abmahnung für wirksam. Die darin genannten Vorwürfe seien hinreichend konkret geschildert. Insbesondere seien sie für den Kläger verständlich, der ja den Inhalt seines Beschwerdeschreibens kenne. Der in der Abmahnung enthaltene Vorwurf sei, dass der Kläger dem Bürgermeister pauschal vorgeworfen habe, er mobbe ihn, ohne konkrete Tatsachen zu nennen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gem. § 313 Abs. 2 ZPO auf das Vorbringen der Parteien in ihren in diesem Verfahren gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.
Die Klage ist auch hinsichtlich des Feststellungsantrags zulässig.

Verfügt der Arbeitgeber unter Berufung auf sein Weisungsrecht eine Änderung der Arbeitsbedingungen, insbesondere eine Umsetzung, kann sich der Arbeitnehmer nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hiergegen mit einer Feststellungsklage wenden. An der Feststellung des Inhalts der zu erbringenden Arbeitsleistung besteht bei entsprechendem Streit der Parteien regelmäßig ein rechtliches Interesse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO (BAG 30.08.1995, 1 AZR 47/95).

II.
Der Kläger hat Anspruch auf die begehrte Feststellung, auf Weiterbeschäftigung als Amtsleiter sowie auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte.

1.
Die mit Schreiben vom 17.01.2022 ausgesprochene Umsetzung ist unwirksam, da sie nicht billigem Ermessen entspricht.

Nach § 106 S. 1 GewO kann der Arbeitgeber den Inhalt der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.

a.
Einschränkungen für das Weisungsrecht der Beklagten ergeben sich hier weder aus dem TVöD noch aus dem schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien. Die Parteien haben den im öffentlichen Dienst üblichen Arbeitsvertrag geschlossen. Danach wird der Angestellte regelmäßig nicht für eine bestimmte Tätigkeit eingestellt, sondern für einen allgemein umschriebenen Aufgabenbereich, der lediglich durch die Nennung der Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe bezeichnet ist. Im Arbeitsvertrag ist keine konkrete Tätigkeit vereinbart. Auch die vom Kläger behauptete mündliche Zusage, er werde künftig ausschließlich als Amtsleiter für den Fachbereich 50 tätig werden, als zutreffend unterstellt, führt nicht zu einer Einschränkung des Weisungsrechtes, da die Schriftform gemäß § 2 Abs. 1 und Abs. 3 TVöD (Der Arbeitsvertrag wird schriftlich abgeschlossen. Nebenabreden sind nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart werden.) nicht eingehalten wurde.

b.
Die Weisung liegt jedoch nicht im Rahmen billigen Ermessens i.S. des § 315 Abs. 1 BGB.

aa.
Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseiti-gen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Hierzu gehören die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse, wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen (BAG 17.08.2011, 10 AZR 202/10).

Das allgemeine Direktions- oder Weisungsrecht berechtigt den Arbeitgeber grundsätzlich nicht, dem Arbeitnehmer Tätigkeiten einer niedrigeren Vergütungsgruppe zu übertragen. Das gilt nicht nur deshalb, weil damit regelmäßig eine Änderung der vertraglich zugesagten Vergütung verbunden ist. Auch die Art der Beschäftigung kann durch das allgemeine Direktionsrecht nicht unbegrenzt abgeändert werden. Zwar ist bei entsprechender Fassung des Arbeitsvertrages die Übertragung unterschiedlicher Tätigkeiten kraft Weisung zulässig. Voraussetzung ist aber, dass diese als gleichwertig anzusehen sind. Die Gleichwertigkeit bestimmt sich mangels anderer An-haltspunkte grundsätzlich aus der auf den Betrieb abgestellten Verkehrsauffassung und dem sich daraus ergebenden Sozialbild. Bei Anwendung eines tariflichen Vergütungsgruppensystems orientiert sie sich zwar in der Regel an diesem System (BAG 17.08.2011, 10 AZR 322/10), sie wird aber nicht allein durch die Vergütung hergestellt. Das Arbeitsverhältnis genießt Bestandsschutz auch gegen eine inhaltliche Änderung der Tätigkeit. Der Arbeitgeber kann deshalb dem Arbeitnehmer auch dann keine niedriger zu bewertende Tätigkeit zuweisen, wenn er dennoch die höhere Vergütung zahlt, die der bisherigen Tätigkeit entspricht (BAG 30.08.1995, 1 AZR 47/95).

Das Direktionsrecht des Arbeitgebers im öffentlichen Dienst erstreckt sich bei einer Vertragsgestaltung, die den vertraglichen Aufgabenbereich allein durch eine allgemeine Tätigkeitsbezeichnung und die Nennung der Vergütungsgruppe beschreibt, auf solche Tätigkeiten des allgemein umschriebenen Aufgabenbereichs, welche die Merkmale der Vergütungsgruppe erfüllen, in die der Arbeitnehmer eingestuft ist. Dem Arbeitnehmer können andere, dem allgemein umschriebenen Aufgabenbereich zuzuordnende Tätigkeiten nur zugewiesen werden, soweit sie den Merkmalen dieser Vergütungsgruppe entsprechen (BAG 17.08.2011, 10 AZR 322/10; BAG 30.08.1995, 1 AZR 47/95). Allerdings stellt das Bundesarbeitsgericht auch im öffentlichen Dienst nicht ausschließlich auf die Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe ab, sondern ob die Tätigkeit dem Arbeitnehmer auch im Übrigen billigerweise zugemutet werden kann. So hat es etwa bei dem Vergleich von Lehrtätigkeiten an unterschiedlichen Schultypen das sich aus dem Schulkonzept ableitende Sozialbild berücksichtigt, um die Gleichwertigkeit zu ermitteln.

Würde man aus der vergütungsmäßigen Gleichstellung den Schluss ziehen, dass diese Tätig-keiten auch im Hinblick auf die Bestimmungen des Direktionsrechts als gleichwertig anzusehen sind, wäre nicht hinreichend berücksichtigt, dass die vergütungsrechtliche Bewertung einer Tätigkeit nur insofern auf den Umfang des Direktionsrechts schließen lässt, als sie Wertungen der Verkehrsanschauung zum Ausdruck bringt und damit auf den Vertragswillen schließen lässt. Entscheidend sind vor allem Qualifikationsmerkmale, während soziale und personale Kriterien, die die Tarifpartner als vergütungsrelevant ansehen, für den Inhalt der geschuldeten Arbeits-leistung untergeordnete Bedeutung haben (BAG 30.08.1995, 1 AZR 47/95). Maßgeblich ist insoweit auch im Bereich des öffentlichen Dienstes das Sozialprestige.

bb.
Der Kläger wurde angewiesen, eine Konzeption für den Aufbau einer gemeindlichen Seniorenarbeit unter Einbindung der schon vor Ort vorhandenen Strukturen (Bürgerstiftung, kirchliche Seniorenarbeit) zu erstellen. Die neue, dem Kläger zugewiesene Tätigkeit ist nicht gleichwertig zu der bisher ausgeübten Tätigkeit. Zuvor war der Kläger Amtsleiter und eingruppiert in Entgeltgruppe 11 TVöD.

Es bestehen aus Sicht der Kammer bereits Zweifel, ob die neue Tätigkeit in Entgeltgruppe 11 einzugruppieren ist. Deren Tätigkeitsmerkmale beinhalten folgende Anforderungen: „Beschäftigte, deren Tätigkeit sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Entgeltgruppe 9c heraushebt“, Entgeltgruppe 9c wiederum: „Beschäftigte, deren Tätigkeit sich dadurch aus der Entgeltgruppe 9b heraushebt, dass sie besonders verantwortungsvoll ist“ und Entgeltgruppe 9b schließlich: „1. Beschäftigte mit abgeschlossener Hochschulbildung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ih-rer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben. 2. Beschäftigte, deren Tätigkeit gründliche, umfassende Fachkenntnisse und selbstständige Leistungen erfordert. (Gründliche, umfas-sende Fachkenntnisse bedeuten gegenüber den in den Entgeltgruppen 6 bis 9a geforderten gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen eine Steigerung der Tiefe und der Breite nach.)“

„Besonders verantwortungsvoll“ bedeutet eine Heraushebung im Hinblick auf „normale Verantwortung“. Unter „Verantwortung“ im Tarifsinn ist die Verpflichtung des Beschäftigten zu verstehen, dafür einstehen zu müssen, dass in dem übertragenen Dienst- oder Arbeitsbereich die dort – auch von anderen Beschäftigten – zu erledigenden Aufgaben sachgerecht, pünktlich und vorschriftsgemäß ausgeführt werden (BAG,13.05.2020, 4 AZR 173/19; 21.01.2015, 4 AZR 253/13). Im Anschluss an diese Bestimmung des Begriffes der „Normalverantwortung“ hat das Bundesarbeitsgericht beispielhaft eine Reihe von Kriterien entwickelt, die geeignet sein können, die tariflich geforderte herausgehobene besondere Verantwortung der Angestellten zu begründen. Je nach der Lage des Einzelfalles kann sie sich auf andere Mitarbeiter oder dritte Perso-nen, Sachen, Arbeitsabläufe, zu gewinnende wissenschaftliche Resultate oder auf technische Zusammenhänge beziehen (BAG, 21.01.2015, 4 AZR 253/13). Eine besondere Heraushebung der dem Kläger zugewiesenen Tätigkeit bei der Erstellung eines Konzeptes unter Vorlage von monatlichen Zwischenberichten an den Bürgermeister ist nicht erkennbar. Die in der Umset-zung vorgesehene Tätigkeit hat lediglich zuarbeitenden Charakter.

Des Weiteren ist auch das Heraushebungsmerkmal der „besonderen Bedeutung“ nicht erfüllt. Diese tarifliche Anforderung knüpft an die bestehende Bedeutung des Aufgabenkreises an, dh. an die Größe des Aufgabengebiets, die Tragweite der zu bearbeitenden Materie oder die Aus-wirkungen der Tätigkeit für den innerdienstlichen Bereich, die betroffenen Bürger oder die All-gemeinheit. Die Bedeutung muss – aufgrund ihres Gehalts als Heraushebungsmerkmal – zumindest zu einer deutlich wahrnehmbar gesteigerten Tätigkeitsanforderung gegenüber den voranstehenden Vergütungsgruppen führen (BAG 09.12.2015, 4 AZR 11/13). Unmittelbare Auswirkungen von Handlungen auf dieser Stelle ergeben sich nicht.

Wird zudem die auf den Betrieb abgestellte Verkehrsauffassung und das sich daraus erge-benden Sozialbild betrachtet, liegt ebenfalls keine Gleichwertigkeit vor. Dem Kläger werden Befugnisse entzogen, die ihm als Amtsleiter zustanden. Er hat bei der neuen Tätigkeit keine Anordnungs-, Unterschriften- und Zahlungsberechtigung mehr, ebenso keine Personalverantwortung. Insbesondere letzteres prägt nach Einschätzung der Kammer das Sozialbild. Es wird nicht verkannt, dass es durchaus auch Beförderungsstellen zu mit Entgeltgruppe 11 bewerteten Tätigkeiten gibt, die keine Personalverantwortung beinhalten. Die in der Umsetzung vorgesehene Stelle hat jedoch nicht ein vergleichbares Ansehen, dass den Bedeutungsverlust durch Entzug der Personalverantwortung kompensieren könnte.

c.
Es kann daher dahinstehen, ob auch ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB vorliegt. Danach darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Ebenso kann dahinstehen, ob das Mitbestimmungsrecht des Personalrats gemäß § 65 Abs. 2 Nr. 9, 68 NPersVG gewahrt wurde. Der Personalrat hat seine Zustimmung im Sinne des § 68 NPersVG am 12.01.2022 erteilt. Das Anhörungsschreiben vom 10.01.2022 enthält allerdings keine Information zu der neuen Tätigkeit. Die Beklagte behauptet, hierzu habe es bereits im Vorfeld Gespräch mit dem Personalrat gegeben, aus denen dem Gremium die für den Kläger vorgesehene Tätigkeit genau bekannt war und am 17.12.2021 sei die neue Tätigkeit gemein-sam mit dem Personalrat entwickelt worden. Es kann offenbleiben, ob dies zutrifft.

2.
Der Kläger hat Anspruch auf Weiterbeschäftigung als Amtsleiter des Amtes 50, bis zu einer neuen wirksamen Weisung durch die Beklagte. Der Anspruch auf vertragsgerechte Beschäftigung in der bisherigen Tätigkeit ergibt sich, da die Weisung vom 17.01.2022 unwirksam war.

Erweist sich eine vom Arbeitgeber vorgenommene Versetzung als unwirksam, so hat der Ar-beitnehmer einen Anspruch auf Beschäftigung in seiner bisherigen Tätigkeit am bisherigen Ort. Bei einer Versetzung handelt es sich um eine einheitliche Maßnahme, die nicht in den Entzug der bisherigen Tätigkeit und die Zuweisung einer neuen Tätigkeit aufgespalten werden kann. Dies gilt auch dann, wenn Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag nicht abschließend festgelegt sind, sondern dem Weisungsrecht des Arbeitgebers (§ 106 GewO) unter-liegen. Solange dieser nicht rechtswirksam von seinem Weisungsrecht erneut Gebrauch ge-macht oder eine wirksame Freistellung von der Arbeit ausgesprochen hat, bleibt es bei der bisher zugewiesenen Arbeitsaufgabe am bisherigen Ort und der Arbeitnehmer hat einen dem-entsprechenden Beschäftigungsanspruch (BAG 25.08.2010, 10 AZR 275/09).

Entsprechendes gilt für den hier vorliegenden Fall einer unwirksamen Umsetzung. Auf die Ausführungen in Ziffer 1 wird verwiesen.

3.
Der Kläger hat Anspruch auf Entfernung der Abmahnung vom 09.02.2022 aus der Personalakte.

a.
Eine Abmahnung liegt vor, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in einer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise auffordert, ein vertragswidriges Verhalten abzustellen, und für die Zukunft Rechtsfolgen angedroht werden (BAG 11.12.2001, 9 AZR 464/00, AP Nr. 8 zu § 611 BGB Nebentätigkeit = EzA § 611 BGB Nebentätigkeit Nr. 6). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts besteht ein Recht des Arbeitnehmers auf Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB (BAG 22.02.2001, 6 AZR 398/99, EzBAT § 11 BAT Nr. 10). Aufgrund der möglichen Beeinträchtigung des Arbeitnehmers in seinem beruflichen Fortkommen und in seinem Persönlichkeitsrecht, kann die Beseitigung verlangt werden, wenn die Abmahnung formell nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt oder kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers am Verbleib der Abmahnung in der Personalakte mehr besteht (BAG 22.02.2001, 6 AZR 398/99, Ez-BAT § 11 BAT Nr. 10 mwN).

b.
Es liegt kein arbeitsvertragliches Fehlverhalten vor, welches die Beklagte zum Ausspruch einer Abmahnung berechtigen würde.

Gem. § 59 Nr. 4 NPersVG ist allgemeine Aufgabe des Personalrats, Anregungen und Beschwerden von Beschäftigten entgegenzunehmen und, soweit sie berechtigt erscheinen, durch Verhandlung mit der Dienststelle auf ihre Erledigung hinzuwirken. Der Kläger wandte sich An-fang Dezember 2021 mit seiner Beschwerde vertraulich an den Personalrat. Darin liegt kein Fehlverhalten, selbst wenn – wie die Beklagte meint – der Anlass unberechtigt gewesen sein mag und der Personalrat die Angelegenheit im Ergebnis anders bewertet. Auch die Schilderung von – aus Sicht der Beklagten – unkonkreten Wertungen führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Die Beklagte kann nicht die Anforderungen an eine Substantiierung wie im Gerichtsver-fahren als Maßstab zu Grunde legen.

Die Abmahnung bezieht sich darauf, dass der Betriebsfrieden ganz erheblich gestört wurde. Hier ist jedoch nicht ersichtlich, wodurch dies geschehen sein soll. Des Weiteren fordert die Beklagte den Kläger auf, unberechtigte Vorwürfe gegenüber Kollegen und Vorgesetzten zu unterlassen.
Die Benennung der verletzten Pflichten im zweiten Absatz der Abmahnung spiegelt nicht die Tatsachen wider, die im ersten Absatz geschildert werden. Aus der Einreichung einer Be-schwerde beim Personalrat – auch mit dem wiedergegebenen Inhalt – ergibt sich grundsätzlich keine Störung des Betriebsfriedens. Dies wäre ggf. anders, wenn der Kläger die erhobenen Vorwürfe nach außen getragen hätte, was jedoch weder der Fall noch Inhalt der Abmahnung ist. Allein der Umstand, dass zwei Mitglieder des Personalrats, Mitarbeiter in der Abteilung des Klägers sind und sie in ihrer Funktion Kenntnis von den Vorwürfen bekommen haben, kann nicht als dem Kläger vorwerfbares Verhalten zur Störung des Betriebsfriedens gewertet werden.

III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1 S. 1 ArbGG iVm § 3 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine gesonderte Zulassung der Berufung gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG sind nicht gegeben.

Rechtsmittelbelehrung
Da das Gericht die Berufung nicht besonders zugelassen hat, kann gegen dieses Urteil gemäß § 64 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz Berufung nur eingelegt werden, wenn
1. der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 EUR übersteigt oder
2. es sich um eine Rechtsstreitigkeit über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses handelt.
Soweit die Voraussetzungen zu 1. oder 2. nicht vorliegen, ist gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel nicht gegeben. Die Berufungsschrift muss von einem bei einem deutschen Gericht zuge-lassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein; an seiner Stelle können Vertreter der Gewerkschaf-ten oder von Vereinigungen von Arbeitgebern oder von Zusammenschlüssen solcher Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind und der Zusammen-schluss, der Verband oder deren Mitglied Partei sind.

Die Berufung muss schriftlich oder in der zugelassenen elektronischen Form eingelegt werden.

Ab dem 01. Januar 2022 sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, als elek-tronisches Dokument zu übermitteln. Gleiches gilt für die nach dem Arbeitsgerichtsgesetz ver-tretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 46c Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 ArbGG zur Verfügung steht. Ist eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zuläs-sig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen.

Die Berufungsschrift muss binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Urteils bei dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Leonhardtstraße 15, 30175 Hannover eingegangen sein.

Die Berufungsschrift muss das Urteil bezeichnen, gegen das die Berufung gerichtet wird und die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde. Ihr soll ferner eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils beigefügt werden. Die Be-rufung ist gleichzeitig oder innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils in gleicher Form zu begründen. Dabei ist der Wert des Beschwerdegegenstandes glaubhaft zu machen; die Versicherung an Eides Statt ist insoweit nicht zulässig.

Die für die Zustellung an die Gegenseite erforderliche Zahl von beglaubigten Abschriften soll mit der Berufungs- bzw. Begründungsschrift eingereicht werden. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen bittet darum, die Berufungsbegründung und die Berufungserwiderung in 5-facher Ausfertigung, für jeden weiteren Beteiligten ein Exemplar mehr, einzureichen.

Dr. K

Ihre Ansprechpartner

Björn Steveker

Björn Steveker

Fachanwalt für Arbeitsrecht
Axel Knieps

Axel Knieps

Fachanwalt für Arbeitsrecht