Frank Witte

Frank Witte

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Spezialist für Bußgeldsachen

Senkung der Mehrwertsteuer vom 1.7. bis zum 31.12.2020 –  Auswirkungen auf Autokauf, Leasing und Leistungen von Autohäusern

Zur Bekämpfung der Corona-Folgen und zur Stärkung der Binnennachfrage werden in der Zeit vom 01.07.2020 bis zum 31.12.2020 die Umsatzsteuersätze für Fahrzeuglieferungen und andere Leistungen der Autohäuser von 19 Prozent auf 16 Prozent gesenkt (Zweites Corona-Steu-erhilfegesetz).

Die wichtigsten Fragen zum Thema haben wir Ihnen in einer FAQ-Liste zusammengestellt.

Welcher Termin ist für die Anwendung des richtigen Mehrwertsteuersatzes entscheidend?

Der jeweils richtige Steuersatz, also 19 oder 16 Prozent, hängt vom Zeitpunkt ab, zu dem die Leistung erbracht wird, entweder vor oder ab dem 1. Juli dieses Jahres.

Entscheidend ist, wann der Umsatz bewirkt (= ausgeführt) wird (Abschn. 12.1. Abs. 3 S. 1 Um-satzsteueranwendungserlass – UStAE). Dies ist die sog. Leistungsausführung – beim PKW-Kauf also die Fahrzeugübergabe.

Fahrzeuglieferungen sind grundsätzlich dann ausgeführt, wenn der Kunde die Verfügungsmacht über das Fahrzeug erlangt (Abschn. 13.1. Abs. 2 S. 1 UStAE). Dies ist in der Regel der Zeitpunkt der Auslieferung (Schlüsselübergabe).

Daher gilt:

Ohne Bedeutung ist das Datum der verbindlichen Bestellung oder des Vertragsschlusses.

Ohne Bedeutung ist das Datum der Rechnungsstellung.

Ohne Bedeutung ist auch, wann die Rechnung bezahlt wird.

Werden die Autos ab 1.7. alle automatisch drei Prozent billiger?

Wenn das Auto nach dem 1. Juli bestellt und vor dem 1. Januar 2021 geliefert wird, ist davon auszugehen, dass die Händler die Mehrwertsteuersenkung an die Kunden weitergeben. Der Verband der Deutschen Automobilindustrie als Vertreter zahlreicher Hersteller hat das auch schon angekündigt.

Wird das Auto 3% billiger, wenn es vor dem 1. Juli 2020 bestellt wurde, aber erst nach dem 1. Juli geliefert werden soll?

Es stellt sich in dieser Konstellation zunächst die Frage, was für ein Preis zwischen den Parteien vertraglich vereinbart worden ist – Bruttokaufpreis oder Nettokaufpreis (zzgl. der gültigen Um-satz-/Mehrwertsteuer). Eine Bruttopreisvereinbarung bedeutet eine Einigung auf einen festen Preis, in dem die Umsatzsteuer enthalten ist; die Senkung der Mehrwertsteuer käme dem Ver-käufer zugute. Bei einem Nettopreis haben sich die Parteien auf diesen geeinigt zzgl. der ent-sprechenden Umsatz-/Mehrwertsteuer; hier profitiert der Käufer von der Steuersenkung.

Allerdings gibt es keinen allgemeinen Handelsbrauch oder eine entsprechende Verkehrssitte. Es handelt sich bei der Preisvereinbarung somit um eine Einzelfallfrage, die im Streitfall ggf. das jeweils betroffene Zivilgericht klären müsste. In der Praxis kann man sich nicht darauf verlassen, dass der genannte Preis automatisch als Nettopreis von dem Vertragspartner verstanden wer-den muss.

Ist der Käufer ein Verbraucher, wird man eher zu dem Ergebnis kommen können, dass der nach der Preisangabenverordnung zu nennende Gesamtpreis Grundlage der Vereinbarung ist, es sei denn, die Parteien hätten explizit etwas anderes vereinbart. Dazu müssten der Vertragstext, die AGB und ggf. mündliche Aussagen geprüft werden.

Kommt man zum Schluss, dass der Gesamtpreis (der Bruttopreis) die Grundlage der Vereinbarung ist, kann das durch eine geänderte Besteuerung eintretende Problem ggf. über zwei Punkte korrigierbar sein:

  • auf der einen Seite die ergänzende Vertragsauslegung und
  • auf der anderen Seite die Störung der Geschäftsgrundlage (Wegfall der Geschäftsgrundlage).

Ein Anspruch auf Nach-/Rückzahlung kann sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung erge-ben, wenn die Parteien irrtümlicherweise übereinstimmend davon ausgegangen sind, dass der betreffende Umsatz der „alten“ Umsatzsteuerpflicht unterliegt. In der Praxis kann ein Anspruch aus der ergänzenden Vertragsauslegung schwer durchsetzbar sein. Denn die Beweislast für einen gemeinsamen Irrtum über die Umsatzsteuerbelastung liegt bei der nach-/rückfordernden Partei. Eine Entscheidung des LG Wuppertal (Urteil vom 11.01.2012 – 8 S 54/11) im Zusammen-hang mit einer Mehrwertsteuersenkung für Beherbergungsleistungen nach dem Wachstumsbe-schleunigungsgesetzes vom 22.12.2009 kam zu diesem Ergebnis.

Auch gemäß § 313 BGB kann eine Vertragsanpassung verlangt werden, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend geändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten (z.B. un-erwartet auftretende Beschaffungsschwierigkeiten seitens des Verkäufers). Andererseits kann man annehmen, dass die umsatzsteuerliche Behandlung in die Risikosphäre des Händlers/Un-ternehmers fällt. Selbst wenn der Leistende seine Kalkulationsgrundlage offenlegt, kann er das Risiko einer steuerrechtlichen Fehleinschätzung nicht auf den anderen Vertragspartner abwälzen. Aus § 313 BGB lässt sich daher ein Nachzahlungsanspruch im Regelfall nicht herleiten (so die Rechtsauffassung bei der letzten MwSt-Erhöhung zum 01.01.2007). Dann würde aber im Umkehrschluss auch gelten müssen, dass der Falle einer Umsatz-/Mehrwertsteuersenkung für den Käufer kein Rückzahlungsanspruch entsteht.

Sollte man aber zum Ergebnis kommen, dass ein Nettokaufpreis (zzgl. Umsatz-/Mehrwert-steuer) vereinbart wurde, hängt die Höhe der zu leistenden Steuer davon ab, wann die Leistung erbracht wird. Beim Autokauf ist die Leistungsausführung die Übergabe des Fahrzeugs. (s.o.).

Macht es einen Unterschied, ob der Kunde eine Privatperson oder ein Unternehmer ist?

Es ist das Grundprinzip des Umsatzsteuerrechts, dass nur der Endverbrauch besteuert wird und somit nur der tatsächliche Konsument kostenmäßig belastet werden soll. Vorsteuerabzugsbe-rechtigte Unternehmer werden keine Probleme damit haben, wenn sie nach dem Stichtag der Mehrwertsteuersenkung zwar den Kaufvertrag abschließen, aber aufgrund langer Lieferzeiten erst nach dem 31. Dezember 2020 ihr Fahrzeug erhalten und dann wieder der normale Steuer-satz von 19 Prozent berechnet werden muss. Denn die jeweils in Rechnung gestellte Mehrwert-steuer können sie als Vorsteuer geltend machen. Dennoch muss der Steuersatz stimmen – entsprechend dem Zeitpunkt der Lieferung.

Was ist bei Kaufverträgen mit Privatkunden zu beachten?

Wenn Privatkunden oder vorsteuerabzugsberechtige Unternehmen (Kleinunternehmer) ab dem 1. Juli ein Fahrzeug kaufen, möchten sie möglichst von der Mehrwertsteuersenkung zu profitie-ren. Sollte sich die Lieferung aber verzögern und erst nach dem 31. Dezember erfolgen, müssen wieder die 19 Prozent berechnet werden. Um hier Klarheit zu schaffen, empfiehlt der Zentral-verband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) Händlern bei einer zu erwartenden Lieferzeit von weniger als vier Monaten eine individuelle Vereinbarung im Kaufvertrag zu treffen.

Eine Preisänderungsklausel in den AGB darf dagegen bei Privatkunden nur dann angewendet werden, wenn die Lieferfrist mehr als vier Monate beträgt. Hinsichtlich der Mehrwertsteuerer-höhung zum 1. Januar 2021 wird den Kfz-Händlern bei längeren Lieferfristen ebenso § 29 UStG helfen können, der einen angemessenen Ausgleich gewährt, wenn zwischen dem Vertragsab-schluss und dem Stichtag der Mehrwertsteuererhöhung mehr als vier Monate liegen.

Wie wirkt sich die Mehrwertsteuersenkung auf Dauerleistungen wie Vermietungen, Leasing aus?

Leasinggeschäfte sind zeitlich begrenzte Dauerleistungen, die in der Regel in monatlichen Teil-leistungen erbracht werden. Maßgebend ist der Steuersatz, der bei Beendigung des jeweiligen Leasingmonats gilt. Für die sechs Monate bis Ende 2020, für die eine Senkung der MwSt. ange-kündigt wurde, dürfte eine Anpassung der Leasingraten vorzunehmen sein.

Bei Leasing-Sonderzahlungen ist das anders: Die Sonderzahlung ist zwar eine Einmalzahlung an den Leasinggeber zu Beginn des Leasingvertrages. Als Vorschuss zur Senkung der Leasingraten wurde sie bei einem Vertragsschluss vor dem 01.07.2020 mit 19% versteuert. Da die Sonder-zahlung jedoch als für den Gesamtzeitraum vereinnahmtes Entgelt angesehen wird, wird sie an-teilig auf die Teilleistungszeiträume (i.d.R. die monatlichen Leasingraten) umgelegt. Fallen Lea-singraten in den Zeitraum von 1. Juli bis 31.Dezember 2020, sind diese nur mit 16% zu versteuern und der Leasingnehmer hat insoweit Anspruch auf eine anteilige Senkung, in den meisten Fällen in Form einer Gutschrift.

Der Mehrwertsteuervorteil ergibt sich also nicht für die gesamte Dauer des Leasingvertrags, sondern nur im Zeitraum der sechsmonatigen Absenkung der Mehrwertsteuer. Bei der Steuer-erhöhung zum 1. Januar 2021 müsste dem Kunden ohne vorher abgerechnete Teilleistungen dann wieder die erhöhte Umsatzsteuer von 19 Prozent für die gesamte Leistung in Rechnung gestellt werden. Bestehende Verträge sind gegebenenfalls entsprechend anzupassen. Wer im Zeitraum von 1. Juli bis 31. Dezember 2020 einen Leasingvertrag schließt, muss damit rechnen, dass die Berechnung von Leasingraten und Sonderzahlung dennoch auf Basis einer 19% Besteuerung erfolgt und für die Monate, in denen die 16% Mehrwertsteuer anfällt, eine Gutschrift erhalten wird. Selbstverständlich ist es eine Pflicht des Leasinggebers, auf diese Vor-gehensweise vor Vertragsschluss hinzuweisen. Denn eine solche Handhabung erfolgt allein aus praktischen Gesichtspunkten seitens der Leasinggeber, die sonst buchhalterisch einen immen-sen Aufwand betreiben müssten.

Wie wirkt sich die Mehrwertsteuersenkung auf Reparaturaufträge aus?

Das „Lieferprinzip“ gilt nicht nur für den Autoverkauf, sondern auch für Reparaturaufträge. Auch hier es kommt auf den Tag der Fertigstellung an. Eine Reparatur ist grundsätzlich beendet, wenn sie vom Kunden abgenommen wurde. Das ist in der Regel der Tag, an dem der Kunde sein Auto zurückerhält. Wird das Fahrzeug nach dem 1. Juli dem Halter übergeben, sind 3 Prozent weniger zu berechnen, auch dann, wenn der Reparaturauftrag noch im Juni angenommen wurde

Kim Mirow

Kim Mirow

Rechtsanwältin