Betriebsbedingte Kündigung bei Betriebsschließung

Unternehmen, die in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigen, dürfen ein Arbeitsverhältnis nur dann kündigen, wenn ein sozialer Rechtfertigungsgrund vorliegt. Häufig berufen Unternehmen sich auf betriebsbedingte Gründe und behaupten, sie seien zur Kündigung berechtigt, weil sie die Produktion an einen anderen Standort, ins Ausland oder zu anderen Firmen auslagern oder weil sie sich dazu entschieden haben, die Produktion und den Betrieb insgesamt einzustellen. Oftmals wird eine Kündigung „wegen Betriebsschließung“ von Arbeitnehmern einfach akzeptiert, weil „man da ja doch nichts machen kann.“ Das ist häufig falsch!

Wir haben im Jahr 2019 mehrere Arbeitnehmer eines Möbelunternehmens an unserem Standort in Sulingen beraten und vertreten, weil der Arbeitgeber angekündigt hatte, sein Möbelhaus zu schließen. Es wurde mit groß angekündigten Räumungsverkäufen auf Plakaten und in der Zeitung geworben. Alle Arbeitnehmer erhielten die Kündigung. Wir haben allen Arbeitnehmern, die unsere (kostenlose) arbeitsrechtliche Erstberatung in Anspruch genommen haben, empfohlen, Kündigungsschutzklage zu erheben. Ein Arbeitnehmer hat sich gegen eine Klage entschieden und die Kündigung akzeptiert. Alle anderen Arbeitnehmer haben Klage erhoben, obwohl sie zunächst dachten, dass bei einer Betriebsschließung „doch sowieso nichts mehr geht.“

Je länger das Verfahren dauerte, desto mehr kristallisierte sich entgegen der ausdrücklichen Beteuerung des Geschäftsführers heraus, dass das Unternehmen seinen Betrieb tatsächlich gar nicht einstellen würde. Zunächst hieß es, es gäbe möglicherweise einen Erwerber, der „einen kleinen Teil“ des Unternehmens übernehmen und fortführen wolle. In diesem Fall wären die Kündigungen wegen eines Verstoßes gegen § 613a Abs. 4 BGB unwirksam gewesen und unsere Mandanten hätten weiterbeschäftigt werden müssen. Später stellte sich dann heraus, dass das Unternehmen nicht einmal verkauft werden, sondern nur noch der Namen geändert werden sollte. Statt „Möbel ABC“ stand nun quasi „Möbel XYZ“ an der Tür; sonst änderte sich fast nichts. Ein Blick auf die Internetseite verriet, dass hierfür nicht einmal der Name der Gesellschaft geändert wurde. Bis zum heutigen Tage existiert die GmbH & Co. KG unter unverändertem Namen und mit dem alten Geschäftsführer fort.

Vor dem Arbeitsgericht waren alle Arbeitnehmer, die sich für eine Kündigungsschutzklage entschieden hatten, erfolgreich. Das Arbeitsgericht musste noch nicht einmal Urteile fällen, sondern kurz vor der Kammerverhandlung bot der Geschäftsführer den Arbeitnehmern mehr oder weniger freiwillig die Fortsetzung der Arbeitsverhältnisse an.

Das Beispiel zeigt, dass es sich auch im Falle einer vermeintlichen Betriebsschließung immer lohnt, seinen Rechte wahrzunehmen und die Kündigung vor dem Arbeitsgericht überprüfen zu lassen. Dass ein Unternehmen tatsächlich nach der Ankündigung, die gesamte Tätigkeit einzustellen, doch fortgeführt wird, ist zugegebenermaßen die Ausnahme. Wir erleben es in der Praxis aber immer wieder, dass sich beispielsweise ein Betriebserwerber findet, der von Gesetzes  wegen (§ 613a BGB) die Alt-Arbeitnehmer weiterbeschäftigen muss. Es kommt außerdem oft vor, dass der bisherige Arbeitgeber die Anforderungen, die an die Begründung einer betriebsbedingten Kündigung vor dem Arbeitsgericht gestellt werden, nicht erfüllt. In all diesen Fällen sind die Kündigungen unwirksam und die Arbeitnehmer sind weiter zu beschäftigen; das gilt selbst dann, wenn die Produktion tatsächlich eingestellt wird. Der Arbeitgeber muss die Arbeitnehmer dann trotzdem bezahlen, auch wenn er keine Arbeit mehr hat. Meistens wird ein Unternehmen in dieser Konstellation einem Arbeitnehmer eine Abfindung anbieten, um auf diese Weise eine kurzfristige und einvernehmliche Vertragsbeendigung zu erreichen (Informationen zum Thema Abfindung finden Sie hier).

Wenn auch Sie von einer betriebsbedingten Kündigung bedroht sind oder bereits eine solche Kündigung erhalten haben, sollten Sie sich unverzüglich arbeitsrechtlich beraten lassen. Setzen Sie sich gerne mit uns in Verbindung. Wir geben Ihnen kurzfristig eine kostenlose Ersteinschätzung!

Ihre Ansprechpartner

Björn Steveker

Björn Steveker

Fachanwalt für Arbeitsrecht
Kim Mirow

Kim Mirow

Rechtsanwältin