Arbeitsgericht Nienburg Beschluss

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2 Ca 453/15
In dem Zwangsvollstreckungsverfahren
des Herrn Produktionsleiter
— Gläubiger —
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Witte & Steveker, Stettiner Str. 12 – 14, 27232 Sulingen
gegen
— Schuldnerin –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. X
hat die 2. Kammer des Arbeitsgerichts Nienburg ohne mündliche Verhandlung am
30. September 2016 durch die Richterin am Arbeitsgericht X als Vorsitzende beschlossen:
Zur Erzwingung der Verpflichtung aus dem Urteil vom 30.06.2016, Ziff. 2 des Tenors wird auf Antrag des Gläubigers gegen die Schuldnerin ein Zwangsgeld in Höhe von
3.000 EUR (i.W. dreitausend)
festgesetzt,
ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, je ein Tag Zwangshaft pro 500 Euro (LW. fünfhundert) für die Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Schuldnerin.
Die Schuldnerin kann die Zwangsvollstreckung bis zur Beitreibung des Zwangsgeldes durch Erfüllung der Verpflichtung aus dem Urteil vom 30.06.2016 abwenden.
Die Schuldnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I.
Die Schuldnerin ist mit Urteil vom 30.6.2016 verurteilt worden, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu den bisherigen Bedingungen als Produktionsleiter X-Produktion zu beschäftigen. Das Urteil ist der Schuldnerin am 11.7.2016 in abgekürzter Fassung und am 25.7.2016 vollständig mit Tatbestand und Entscheidungsgründen zugestellt worden. Am 11.7.2016 erteilte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts für den Gläubiger eine vollstreckbare Ausfertigung des abgekürzten Urteils. Im Urteil ist auf S. 2 des Tatbestandes ausgeführt:
Die Aufgaben des Klägers in der Position des Leiters der X-Produktion ergeben sich aus einer von der Beklagten gefertigten Stellenbeschreibung, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Anlage B 1 zum Schriftsatz vom 11.03.2016, Bl. 39 d. A.).
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Prozessbevollmächtigte des Gläubigers forderte die Schuldnerin über ihren Prozessbevollmächtigten auf, zu erklären, dass der Gläubiger bis auf weiteres als Produktionsleiter Produktion beschäftigt werde, der Gläubiger werde seine Tätigkeit dann kurzfristig wieder aufnehmen. Mit Schreiben vom 22.7.2016 fordert die Schuldnerin den Gläubiger auf, am 25.7. im Betrieb zu erscheinen, um die weiteren Einzelheiten der Zuweisung vertragsgerechter Arbeit zu erläutern. Dienstbeginn sei dann am 26.7.2016 um 20:00 Uhr, Dienstende am darauffolgenden Tag um 4:30 Uhr. Die Schuldnerin wies dem Gläubiger folgende Aufgaben zu:
Rohwarenerfassung
Erfassung von Betriebs- und Hilfsstoffen
Erfassung von Verpackungsmaterialien
Reinigungskontrolle
und teilte ihm mit, er sei anders als früher nicht mehr berechtigt sei, Weisungen zu erteilen.
Der Gläubiger ist der Auffassung, mit den ihm zugewiesenen Aufgaben erfülle die Schuldnerin nicht seinen Anspruch, als Leiter der X-Produktion beschäftigt zu werden. Er werde von
zentralen Aufgaben des Produktionsleiters ferngehalten.
Der Gläubiger beantragt,
gegen die Schuldnerin zur Erzwingung der Erfüllung ihrer Verpflichtung aus dem vollstreckbaren Urteil des Arbeitsgerichts Nienburg/Weser vom 30. Juni 2016 (Az. 2 Ca 453/15), den Gläubiger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu den bisherigen Bedingungen als Produktionsleiter X weiter zu beschäftigen, ein der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Zwangsgeld festzusetzen und die Zwangshaft für den Fall anzuordnen, dass das festgesetzte Zwangsgeld nicht beigetrieben werden kann, oder anstelle der Festsetzung von Zwangsgeld die Zwangshaft, zu vollstrecken an den Geschäftsführern X. Y oder Z, anzuordnen.
Die Schuldnerin tritt dem Antrag entgegen.
Der Anspruch des Klägers werde tatsächlich erfüllt. Streitigkeiten darüber, ob die Schuldnerin ihr weiterhin bestehendes Weisungsrecht nach § 106 GewO ordnungsgemäß ausgeübt habe, gehörten nicht in das formalisierte Zwangsvollstreckungsverfahren. Einen Anspruch auf Titulierung der Weiterbeschäftigung der ganz bestimmte einzelne Tätigkeiten nenne bestehe nicht. Daher gebe es auch keine rechtliche Handhabe, den Arbeitgeber durch einen Weiterbeschäftigungsanspruch in einer bestimmten, eng begrenzten Weise zu verpflichten.
Der zulässige Antrag ist begründet.

Bei dem ausgeurteilten Beschäftigungsanspruch handelt es sich um eine unvertretbare Handlung, zu der die Schuldnerin, wenn sie sie nicht vornimmt, gemäß §§ 62 Abs. 2 ArbGG, 888 ZPO durch Zwangsgeld und Zwangshaft angehalten werden kann.

Die allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen liegen vor. Das Urteil stellt einen kraft Gesetzes vorläufig vollstreckbaren Titel dar (§ 62 Abs. 1 S. 1 ArbGG.). Eine vollstreckbare Ausfertigung ist erteilt (§ 724 ZPO) und die Zustellung des Urteils erfolgt (§ 750 ZPO).

Der tenorierte Weiterbeschäftigungsanspruch ist hinreichend bestimmt und wird von der
Schuldnerin bisher nicht erfüllt.
a.
§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO verlangt, dass die Klageschrift neben der bestimmten Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs auch einen bestimmten Antrag enthält. Damit wird zum einen der Streitgegenstand abgegrenzt, zum anderen wird eine Voraussetzung für die etwa erforderlich werdende Zwangsvollstreckung geschaffen. Gemessen an diesen Zielen ist ein Klageantrag grundsätzlich hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen lässt und das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streites im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt. Unklarheiten über den Inhalt der Verpflichtung dürfen deshalb nicht aus dem Erkenntnisverfahren ins Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Dessen Aufgabe ist es zu klären, ob der Schuldner einer festgelegten Verpflichtung nachgekommen ist, nicht aber worin diese besteht. Zudem ist das Rechtsstaatsprinzip zu beachten. Der Schuldner muss wissen, in welchen Fällen er mit einem Zwangsmittel zu rechnen hat. Andererseits erfordert es aber gerade auch das Rechtsstaatsprinzip und das daraus folgende Gebot effektiven Rechtsschutzes, dass materiell-rechtliche Ansprüche effektiv, auch in der Zwangsvollstreckung, durchgesetzt werden können. Das kann es rechtfertigen, auch das Vollstreckungsgericht nicht der Notwendigkeit zu entheben, eine möglicherweise schwierige Klärung der Frage herbeizuführen, ob gegen die aus einem Titel folgende Verpflichtung verstoßen wurde
Bei der Prüfung, welche Verpflichtungen durch den Vollstreckungstitel festgelegt werden, kann grundsätzlich nur auf diesen selbst, nicht dagegen auf andere Schriftstücke zurückgegriffen werden. Geht es um ein Urteil, ist dabei zu berücksichtigen, dass § 313 Abs. 2 ZPO in Urteilen eine Verweisung auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ausdrücklich vorsieht. Soweit das Gericht davon Gebrauch gemacht hat, sind diese Unterlagen deshalb als Teil des vollstreckbaren Titels zu betrachten. Geht es um die Titulierung des Anspruchs auf Weiterbeschäftigung muss der Vollstreckungstitel verdeutlichen, um welche Art von Beschäftigung es geht, da der Arbeitgeber vor unberechtigten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen geschützt werden muss. Andererseits kann der Titel aus materiell-rechtlichen Gründen nicht so genau sein, dass er auf eine ganz bestimmte im Einzelnen beschriebene Tätigkeit oder Stelle zugeschnitten ist. Darauf hat der Arbeitnehmer nämlich regelmäßig keinen Anspruch, weil dem Arbeitgeber das Weisungsrecht nach § 106 der Gewerbeordnung zusteht. Soweit nicht die Ausübung dieses Weisungsrechts im Einzelfall Gegenstand des Erkenntnisverfahrens ist, gibt es deshalb keine rechtliche Handhabe, um den Arbeitgeber durch einen Beschäftigungsausspruch zur Beschäftigung des Arbeitnehmers in einer bestimmten, eng begrenzten Weise zu verpflichten. Um diesen Gesichtspunkten gerecht zu werden, ist es erforderlich aber auch ausreichend, wenn die Art der ausgeurteilten Beschäftigung des Arbeitnehmers aus dem Titel ersichtlich ist. Einzelheiten hinsichtlich der Art der Beschäftigung oder sonstigen Arbeitsbedingungen muss der Titel demgegenüber nicht enthalten. Es reicht, wenn das Berufsbild, mit dem der Arbeitnehmer beschäftigt werden soll, sich aus dem Titel ergibt oder sich in vergleichbarer Weise ergibt, worin die Tätigkeit bestehen soll.
Daraus folgt zugleich, dass der Arbeitgeber solange keinen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ausgesetzt ist, als er den Arbeitnehmer in der Art beschäftigt, wie es sich aus dem Titel ergibt. Streitigkeiten darüber, ob im Einzelfall das Weisungsrecht nach § 106 GewO ordnungsgemäß ausgeübt wurde, gehören nicht ins Vollstreckungsverfahren und sind ggf. in einem gesonderten Erkenntnisverfahren zu klären (vgl. BAG, Beschluss vom 15. April 2009 — 3 AZB 93/08 —, juris).

Nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen ist der im Urteil vom 30.6.2016 titulierte Anspruch hinreichend bestimmt. Bereits der Tenor selbst enthält eine konkrete Tätigkeits- bzw. Berufsbezeichnung, nämlich die des Leiters der X-Produktion bei der Beklagten. Ferner ist im Tatbestandes Urteils auf die von der Schuldnerin im Erkenntnisverfahren zu den Akten gereichte Tätigkeitsbeschreibung eines Leiters der X-Produktion Bezug genommen. Diese Tätigkeitsbeschreibung ist damit Inhalt des Urteils und zur Bestimmung der Verpflichtung der Schuldnerin aus dem Urteil zur Auslegung ergänzend heranzuziehen. Aus ihr ergeben sich die einzelnen Aufgabenbereiche des Gläubigers, die dementsprechend zwischen den Parteien im Erkenntnisverfahren nicht streitig waren. Schließlich enthält der Tatbestand des Urteils neben der Bezugnahme auf die Tätigkeitsbeschreibung konkrete Angaben zu den Aufgaben des Klägers als Leiter der

Die Schuldnerin hat den Anspruch des Gläubigers bislang nicht erfüllt. Sie hat dem Gläubiger
wesentliche seiner bisherigen Aufgaben als Leiter der X-Produktion zugewiesen. Mit der Zuweisung der Aufgaben Rohwarenerfassung, Erfassung von Betriebs- und Hilfsstoffen, Erfassung von Verpackungsmaterialien und Reinigungskontrolle erfüllt sie nicht den Anspruch des Gläubigers.
Der Schuldnerin ist zuzugeben, dass das arbeitgeberseitige Weisungsrecht nach § 106 GewO auch bei der Erfüllung des titulierten Beschäftigungsanspruches bestehen bleibt und der Gläubiger nicht verlangen kann, in einer ganz bestimmten, eng umgrenzten Art und Weise beschäftigt zu werden. Der Anspruch wird vielmehr von der Schuldnerin dadurch erfüllt, dass sie dem Gläubiger Aufgaben zuweist, welche zu der Tätigkeit des Leiters der X-Produktion in ihrem Betrieb gehören. Auch müssen nicht sämtliche auf einer Position an Aufgaben an jedem Arbeitstag zugewiesen werden. Der Arbeitnehmer ist aber so einzusetzen, dass er grundsätzlich in der Lage ist und bleibt, das gesamte Spektrum der Arbeitsaufgaben bei Bedarf und Zuweisung adäquat erledigen zu können.
Das Gericht muss im Hinblick auf den Grundsatz effektiven Rechtsschutzes auch wenn sich die Schuldnerin im Zwangsvollstreckungsverfahren auf ihr Direktionsrecht beruft prüfen, ob durch die zugewiesene Tätigkeit der Anspruch bereits erfüllt wird. Andernfalls hätte es der Arbeitgeber als Schuldner des Beschäftigungsanspruches in der Zwangsvollstreckung in der Hand, durch Zuweisung einer beliebigen Aufgabe oder nur eines marginalen Teilbereiches dar geschuldeten Beschäftigung an den Arbeitnehmer, die Zwangsvollstreckung leerlaufen zu lassen. Der Gläubiger macht vorliegend auch nicht die Zuweisung einer bestimmten, eng umgrenzten Tätigkeit geltend. Er vertritt vielmehr die Auffassung, mit den ihm zugewiesenen Aufgaben allein, sei sein Anspruch (noch) nicht erfüllt.
Von den in der Stellenbeschreibung genannten Aufgaben der Leitung und Steuerung der
der Produktionsplanung, der Produktionsleitung in der Vorbereitung, Terminerfüllung der Produktionsplanung, Personalplanung, Sicherstellung der Einsatzfähigkeit und Funktion der Maschinen, Erfassung und Lenkung betriebswirtschaftlicher Daten, der Umsetzung der IFS-Vorgaben der Arbeitssicherheit und des Umweltschutzes, Einhaltung der Rezepturen, Kontrollfunktion der Herstellungsprozesse und Mitarbeiter, Zusammenarbeit mit dem Produktentwicklungsteam und Optimierung der Linien in der und Endverpackung hat die Schuldnerin dem Gläubiger keine oder allenfalls so geringe Teilbereiche zugewiesen, dass es sich nach dem Gesamtbild der ihm angetragenen Tätigkeit nicht mehr um die Tätigkeit als Leiter der X-Produktion handelt. Die Erfassung von Rohwaren, Betriebs- und Hilfsstoffen- sowie Reinigungskontrolle mag am Rande auch zu den Aufgaben des Klägers im Rahmen der Produktionsplanung und -kontrolle gehören. Eine Tätigkeit, bei der der Mitarbeiter ausschließlich diese eher einfachen Aufgaben zu erledigen hat, ist jedoch nicht die eines Leiters der X-Produktion deren Inhalt sich nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien im Erkenntnisverfahren aus der Stellenbeschreibung, der Schuldnerin ergibt.
Entscheidend ist überdies, dass die Tätigkeit als Leiter eines Produktionsbereiches Weisungsbefugnis gegenüber den dort beschäftigten Mitarbeitern beinhaltet. Dies ergibt sich aus dem allgemeinen Sprachverständnis des Begriffs des Leiters und ferner aus der Stellenbeschreibung, nach der dem Gläubiger als Leiter der X-Produktion bislang eigene Mitarbeiter und Schichtleiter der X-Produktion unterstellt waren. Eine solche leitende Position in der Produktion hat die Schuldnerin dem Gläubiger mit den ihm angetragenen Aufgaben nicht übertragen.
4.
Das Gericht hält ein Zwangsgeld von 3.000 €, welches dem Betrag der von dem Gläubiger zuletzt bezogenen monatlichen Vergütung entspricht, für erforderlich aber auch ausreichend, um die Schuldnerin zu Erfüllung der ihr obliegenden Verpflichtung anzuhalten.
Das Zwangsgeld muss verhältnismäßig sein. Bei Titeln, die die Weiterbeschäftigung zum Gegenstand haben, wird regelmäßig ein Zwangsgeld in Höhe eines Bruttomonatsgehalts als verhältnismäßig angesehen, nur bei hartnäckiger Weigerung auch mehr (Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 09. Oktober 2015 — 12 Ta 84/15 —, juris). Von einer hartnäckigen Weigerung der Schuldnerin ist vorliegend nicht auszugehen.
nrk