Punkt abzugeben

Nicht schon wieder….! Nur ein wenig zu schnell gefahren, noch eben bei Rot die Ampel überquert oder zu tief ins Glas geschaut. Zu spät oder gar nicht zum Anwalt gegangen. Und schon feiert das Flensburger Punktekonto einen Neuzuwachs. Langsam wird es bedenklich: Zu viele Punkte, finden Sie – und was nun?

So mancher kennt das bisherige Aufbauseminar, mit dem der Abbau von Punkten in den Fahrschulen durch die Mitwirkung an Gruppengesprächen und einer Fahrprobe ermöglicht wurde. Im alten Punktesystem, also bis einschließlich April 2014, wies die Fahrerlaubnisbehörde bei einem Stand von 8 bis 13 Punkten darauf hin, dass die freiwillige Teilnahme an einem solchen Seminar in Betracht komme. Bei mindestens 14, höchstens aber 17 Punkten war die Teilnahme am Aufbauseminar sogar verpflichtend. Das gibt es in dieser Form nun nicht mehr.

Seit der Einführung des neuen Fahreignungs-Bewertungssystems ab dem 1. Mai 2014 wird die Begrifflichkeit „Aufbauseminar“ nämlich nur noch für Inhaber eines Führerscheins auf Probe verwendet. Nach einem schwerwiegenden oder zwei weniger schwerwiegenden Verkehrsverstößen in der zweijährigen Probezeit meldet sich die Fahrerlaubnisbehörde und ordnet den Besuch des Aufbauseminars für Führerscheinanfänger (früher „Nachschulung“ genannt) unter Fristsetzung zwingend an. Außerdem wird die Probezeit um zwei weitere Jahre verlängert. Kommt es nach dem Besuch des Aufbauseminars bei dem Führerschein-Neuling zu einer weiteren schwerwiegenden oder zwei weiteren leichteren Verfehlungen, erfolgt eine Verwarnung. Sie wird mit der Empfehlung verbunden, an einer verkehrspsychologischen Beratung teilzunehmen.

Anschließend gilt es, sauber zu bleiben – denn bei erneuten Verstößen (ein schwerwiegender oder zwei einfache) ist der Lappen weg. Schwerwiegende und weniger schwerwiegende Verstöße werden übrigens in Anlage 12 der Fahrerlaubnis-Verordnung definiert. Dabei gilt als schwerwiegend zum Beispiel bereits das zu schnelle Fahren, zu wenig Abstand zum Vordermann, das Überfahren roter Ampeln oder das unerlaubte Entfernen vom Unfallort, übrigens eine Straftat.

Für alle anderen Kraftfahrer – also solche, die dem Führerschein auf Probe entwachsen sind oder altersbedingt von vorneherein eine ganz „normale“ Fahrerlaubnis haben – ist das sogenannte Fahreignungs-Seminar eingeführt worden. Wer nun ein bis fünf Punkte in Flensburg gesammelt hat, kann mit der Teilnahme an diesem Seminar einen Punkt abbauen, allerdings nur einmal innerhalb von fünf Jahren. Innerhalb dieses Zeitraums zählen derzeit auch noch die nach dem alten Aufbauseminar abgebauten Punkte mit; mehr geht nicht. Jedem, der in den letzten Jahren noch kein solches Seminar besucht und fünf oder weniger Punkte auf dem Konto hat, kann das neue Fahreignungs-Seminar zu Gute kommen.

Zielgruppe des Seminars sind auffällig gewordene Kraftfahrer. Sie sollen ihr Fahrverhalten ändern und sich künftig regelkonform verhalten. Das will der Gesetzgeber mit zwei ineinandergreifenden Bestandteilen erreichen. Das Seminar besteht daher zunächst aus einem verkehrspädagogischen Teil, der wie bisher auch von Fahrlehrern durchgeführt wird, und zweimal 90 Minuten dauert – einzeln oder in der Gruppe. Hier werden Regeln erläutert und Gefahren veranschaulicht, und zwar individuell mit jedem Teilnehmer.

Hinzu kommt – und das ist neu – ein verkehrspsychologischer Teil, den nur besonders geschulte Psychologen anbieten dürfen. In einer Einzelsitzung von 75 Minuten erarbeitet man dort mit dem Verkehrspsychologen persönliche Strategien, um riskantes Fahrverhalten und Regelverstöße zu vermeiden. Also: Was veranlasst mich, auf der Autobahn zu drängeln? Und überhaupt: Warum überschreite ich so häufig die zugelassene Höchstgeschwindigkeit? Die erarbeiteten Strategien werden im Alltag erprobt und anschließend noch einmal in einer weiteren Sitzung besprochen. Das neue Fahreignungs-Seminar wird in der auf fünf Jahre angesetzten Erprobungsphase wissenschaftlich begleitet und ausgewertet. Ob es auch anschließend in dieser Form erhalten bleibt, ist derzeit noch nicht abzusehen.

Die Möglichkeit, sich mit dem Besuch eines Seminars gleich mehrerer Punkte zu entledigen, ist mit der Reform des Verkehrszentralregisters (jetzt: Fahreignungsregisters) jedenfalls passé. Es geht jetzt „nur noch“ um einen einzigen Punkt – der aber kann entscheidend sein, vor allem, wenn im Bereich von drei bis fünf Punkten noch ein weiterer Verkehrsverstoß begangen wurde. In diesem Fall nämlich könnten zusätzliche Punkte den Weg aufs Konto finden, und ab einem Stand von sechs Punkten hilft auch das Fahreignungs-Seminar nicht mehr weiter. Wenn Sie also daran denken, ein Fahreignungs-Seminar zu besuchen: Besser nicht allzu lange warten.