OLG Celle: Urteil ohne Entscheidungsgründe kann keinen Bestand haben

Oberlandesgericht Celle, 322 SsBs 71/12 (406 Js 27090/11 StA Verden)

Beschluss

In der Bußgeldsache

gegen

– Verteidiger: Rechtsanwalt Witte, Sulingen –

wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit

hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Celle auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Syke vom 22. Novem- ber 2011 auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft durch den Richter am Oberlandesgericht am 13. März 2012 beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und das Verfahren zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens – an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Syke zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen mit dem angefochtenen Urteil wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 280 € verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von zwei Monaten verhängt. In der Hauptverhandlung waren sowohl der Betroffene als auch sein Verteidiger anwesend. Weder der Betroffene noch sein Verteidiger verzichteten auf die Ein- legung von Rechtsmitteln gegen das am 22.11.2011 verkündete Urteil. Aufgrund der Verfügung der Bußgeldrichterin vom 23.11.2011 wurde die Akte mit dem im Hauptverhandlungsprotokoll befindlichen Urteil der Staatsanwaltschaft Verden zur Zustellung übersandt. Das Urteil ging dort am 28.11.2011 ein und wurde mit dem Zustellungsvermerk versehen. Gegen dieses Urteil legte der Betroffene am 24.11.2011 Rechtsbeschwerde ein, mit der er die Verletzung materiellen Rechtes rügt.

Die Rechtsbeschwerde hat mit der Sachrüge vorläufigen Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung an das Amtsgericht.
Das angefochtene Urteil konnte keinen Bestand haben, weil es keine Entscheidungsgründe enthält und deshalb dem Senat eine Nachprüfung auf sachlich-rechtliche Fehler nicht ermöglicht. Dieser Mangel ist bereits aufgrund der allgemeinen Sachrüge festzustellen (vgl. Senat, Beschluss vom 05.11.2008 – 322 SsBs 264/08 -; Göhler, OWiG, 15. Aufl. § 77 b Rdnr. 8; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 338 Rdnr. 52).

Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu ausgeführt:

„Dass der Staatsanwaltschaft auf die richterliche Verfügung vom 23.11.2011 (BI. 46 R d.A.) zugestellte Urteil enthält entgegen §§ 71 Abs. 1 OWiG, 267 StPO keine Gründe. Damit hat sich die Tatrichterin für die Hinausgabe eines Urteils in einer nicht mit Gründen versehenen Fassung entschieden. Bereits das Hauptverhandlungsprotokoll enthält vorliegend alle für den Urteilskopf nach § 275 Abs. 3 StPO erforderlichen Angaben. Zwar enthält das Hauptverhandlungsprotokoll lediglich den vollständigen Tenor und keine Urteilsgründe, dies steht jedoch der Annahme eines bereits in das Hauptver-handlungsprotokoll aufgenommenen schriftlichen Urteils nicht entgegen, weil im Bußgeldverfahren unter den Voraussetzungen des § 77b OWiG von einer schriftlichen Begründung des Urteils vollständig abgesehen werden kann. Damit hat ein schriftliches Urteil ohne Gründe den inneren Dienstbereich des Gerichts verlassen und ist mit der Zustellung an die Staatsanwaltschaft nach außen in Erscheinung getreten. Es handelte sich auch nicht um eine formlose Übersendung der Akten, vielmehr waren sich sowohl die Tatrichterin (BI. 46 R d.A.), als auch die Staatsanwaltschaft (BI. 53 d.A.) bewusst, dass hier eine Zustellung des Urteils (§ 41 StPO) erfolgen sollte. Anderenfalls wären nicht die Begriffe „zwecks Zustellung‘ (BI. 46 R d.A.) und „nach Zustellung zurückgesandt. Auf Rechtsmittel wird verzichtet“ (BI. 53 d.A.) verwendet worden. Die Ergänzung durch die am 27.12.2011 zu den Akten gelangten schriftlichen Urteilsgründe (BI. 63 d.A.) war unzulässig; die Voraussetzungen des § 77b OWiG hierfür lagen nicht vor.“

Dem tritt der Senat bei.

Da eine Überprüfung des angefochtenen Urteils dem Senat somit nicht möglich ist, unterlag es der Aufhebung.

Volltext: Urteil des OLG Celle vom 13.04.2012 (322 SsBs 71/12)