LG München I: Bei der Streitwertfestsetzung im einstweiligen Verfügungsverfahren ist zu berücksichtigen, welches Streitwertinteresse zu Beginn des Verfahrens in der Abmahnung angegeben wurde.

    • 1. Bei der Streitwertfestsetzung im einstweiligen Verfügungsverfahren ist zu berücksichtigen, welches Streitwertinteresse die Antragstellerin zu Beginn des Verfahrens angegeben hat. Maßgeblich sind insoweit die Angaben in der Abmahnung.

 

    • 2. Sind die in der Abmahnung geltend gemachten Ansprüche nur teilweise Streitgegenstand des einstweiligen Verfügungsverfahrens (hier: Anspruch aus Geschmacksmusterrechten sowie Folgeansprüche auf Auskunft, Rechnungslegung, Vernichtung und Schadensersatz abgemahnt – rechtshängig nur UWG-Anspruch), ist der Streitwert angemessen zu reduzieren (hier: von 250.000 EUR auf 100.000 EUR).

 

(Anm.: Leitsätze d. Verf.)

Beschluss des LG München I vom 23.08.2013, Az. 33 O 9820/13

  • Der Streitwertbeschwerde des Antragsgegners vom 03.06.2013 (BI.19/25 d.A.) gegen die Streitwertfestsetzung in Ziffer III. der einstweiligen Verfügung des Landgerichts München I vom 02.05.2013 (BI. 12/13 d.A.) wird teilweise abgeholfen und der Streitwert wird in Abänderung der angegriffenen Streitfestsetzung auf EUR 100.000,– festgesetzt.
  • Im Übrigen wird der Streitwertbeschwerde des Antragsgegners nicht abgeholfen.
  • Die Akten werden daher dem OLG München zur Entscheidung über die Streitwertbeschwerde, soweit ihr nicht abgeholfen wurde, vorgelegt.

Gründe:

I. Der Antragsgegner wendet sich mit seiner Beschwerde vom 03.06.2013 gegen die Streitwertfestsetzung der Kammer im Rahmen der Beschlussverfügung vom 02.05.2013 und beantragt, den Streitwert auf maximal EUR 10.000,- festzusetzen.

Mit verfahrenseinleitendem Schriftsatz vom 30.04.2013 hat die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, mit der dem Antragsgegner bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten werden sollte, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in der Bundesrepublik Deutschland Tragekörbe in den Verkehr zu bringen, anzubieten und/oder bewerben und/oder in den Verkehr bringen, anbieten, bewerben zu lassen, die der im Antrag wiedergegebenen Abbildung entsprechen.

Gestützt hat sie ihren Anspruch auf eine Verletzung von § 4 Nr. 9 a UWG sowie eine von ihr behauptete Irreführung gemäß § 5 UWG. Ihr Streitwertinteresse hat die Antragstellerin in der Antragsschrift mit EUR 250.000,- beziffert. Diesen Streitwert hat die Antragstellerin auch ihrer Abmahnung vom 17.04.2013 (Anl. Aste 6) zugrunde gelegt. In dieser hat sie jedoch zum einen geltend gemacht, dass ihre Geschmacksmuster verletzt seien und der Antragsgegner darüber hinaus wettbewerbswidrig gehandelt habe. Zudem wurden mit der Abmahnung neben dem auch mit der hier streitgegenständlichen einstweiligen Verfügung begehrten Unterlassungsanspruch Auskunfts-, Rechnungslegungs-, Vernichtungs- und Schadensersatzansprüche geltend gemacht.

Im Rahmen der Beschlussverfügung vom 02.05.2013 hat die Kammer in Ziffer III. den Streitwert auf EUR 250.000,– entsprechend den Angaben in der Antragsschrift festgesetzt.

Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner Streitwertbeschwerde vom 03.06.2013 und beantragt, den Streitwert auf maximaI EUR 10.000,- festzusetzen. Zur Begründung trägt er vor, dass der angegebene Streitwert in Höhe von 250.000,- EUR überhöht sei, da das maßgeblich durch den Verletzungsumfang konkretisierte Unterlassungsinteresse der Antragstellerin als gering einzuordnen sei und die Angelegenheit nach Art und Umfang einfach gelagert sei sowie im Hinblick auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragsgegners eine Belastung mit den danach entstehenden Prozesskosten nicht tragbar erscheine.

(…)

Ein wichtiges Kriterium bei der Streitwertfestsetzung sei außerdem, dass die Antragstellerin ihre Ansprüche ausschließlich auf Normen des UWG stütze. Schließlich müsse gemäß § 12 Abs. 4 UWG berücksichtigt werden, dass die Angelegenheit nach Art und Umfang einfach gelagert sei. Es sei sofort erkennbar gewesen, auch ohne juristische Vorkenntnisse für jedermann, der die Erzeugnisse der Antragstellerin kenne, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Korb um eine Nachahmung handle. Die Angelegenheit sei daher sowohl nach ihrer Art als auch dem Umfang nach einfach gelagert, so dass auch dies eine Streitwertherabsetzung rechtfertige.

Schließlich müssten die persönlichen Verhältnisse des Antragsgegners berücksichtigt werden, weshalb eine Belastung des Antragsgegners mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert angesichts seiner Vermögens-und Einkommensverhältnisse nicht tragbar erscheine. (…)

Außerdem sei zu berücksichtigen, dass durch den nur vorläufigen Tenor ohne weitere Rechtshandlung keine abschließende Rechtssicherheit erzielt werden könne, so dass der Streitwert im Vergleich zum Hauptsacheverfahren zu reduzieren sei.

Nach alledem halte der Antragsgegner einen Streitwert von maximal EUR 10.000,– für angemessen.

Die Antragstellerin ist demgegenüber der Auffassung, dass der von ihr angegebene Streitwert in Höhe von EUR 250.000,- nach wie vor gerechtfertigt sei und ihr Interesse an der Angelegenheit wiedergebe. Ihr Interesse daran, den Markt von Plagiaten ihres „Carrybag“ freizuhalten, sei sehr hoch. Durch das Anbieten gerade bei Ebay erreiche der Antragsgegner eine Vielzahl von Abnehmern, da die Plattform gut organisiert sei und es keine Mühe mache, über den Suchbegriff „Einkaufskorb“ auf das Plagiat aufmerksam zu werden. Der Betrag in Höhe von EUR 250.000,- spiegle daher bereits den geringeren Angriffsfaktor wider, der durch das Angebot von lediglich einigen Körben stehe. (…)

II. Die zulässige Streitwertbeschwerde des Antragsgegners hat nur teilweise Erfolg. Sie führt zur Abänderung der Streitwertfestsetzung im Rahmen der Beschlussverfügung vom 02.05.2013 auf EUR 100.000,-. Eine darüber hinausgehende Reduzierung kommt auch vor dem Hintergrund der vom Antragsgegner vorgetragenen Umstände jedoch nicht in Betracht, so dass die Streitwertbeschwerde, soweit ihr nicht abgeholfen wurde, dem – OLG München zur Entscheidung vorzulegen ist.

1. Gemäß §§ 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, 3 ZPO ist der Streitwert nach freiem Ermessen zu bestimmen. Dabei ist für die Wertbestimmung das Interesse der Antragstellerin an der Unterbindung des beanstandeten Verhaltens maßgeblich, welches nach objektiven Kriterien zu bestimmen ist. Dabei ist vorliegend, da die Antragstellerin ihre Ansprüche maßgeblich auf ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutz gemäß § 4 Nr. 9 a UWG stützt, entsprechend den Grundsätzen im Kennzeichenrecht zu berücksichtigen, dass das wirtschaftliche Interesse an der Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen zum einen durch den wirtschaftlichen Wert des nachgeahmten Produkts und zum anderen durch das Ausmaß und die Gefährlichkeit der Verletzung bestimmt wird. Zudem stellt nach ständiger Rechtsprechung der Kammer sowie des OLG München (vgl. WRP 2008, 972, 976) die eigene Wertangabe der Antragstellerin zu Beginn des Verfahrens in der Regel ein gewichtiges Indiz für eine zutreffende Bewertung dar, da die Antragstellerin zum einen am besten beurteilen kann, welche wirtschaftlichen Auswirkungen die beanstandete Verhaltensweise haben kann, und es zum anderen in diesem Verfahrensstadium nicht sicher vorauszusehen ist; wer letztlich die Verfahrenskosten zu tragen hat. Ein Abschlag für ein Verfügungsverfahren kommt dabei nach ständiger Rechtsprechung der erkennenden Kammer nicht in Betracht.

Vorliegend ist zum einen die hohe wirtschaftliche. Bedeutung zu berücksichtigen, die das Produkt der Antragstellerin für diese hat, sowie deren Interesse daran, effektiv Nachahmungen ihres Produkts, die insbesondere über Plattformen wie Ebay angeboten werden, zu verhindern, um den wirtschaftlichen Erfolg des eigenen Produkts nicht zu gefährden. Die Ausgangslage ist dabei vergleichbar mit der im Kenn-zeichenrecht: § 4 Nr. 9 a UWG schützt vor Beeinträchtigungen, die durch eine unlautere Herkunftstäuschung durch das Anbieten von Nachahmungen hervorgerufen wird, was vergleichbar ist mit dem Schutz des Markeninhabers vor einer kennzeichenrechtlichen Verwechslungsgefahr. Produkte, die von § 4 Nr. 9 a UWG erfasst werden, sind demnach solche, bei denen die Gefahr besteht, dass der angesprochene Verkehr die Nachahmung für das Original hält und daher dieses kauft und nicht das Original, so dass beim Hersteller des Originalprodukts Umsatz- und Gewinneinbußen zu besorgen sind.

Bei der Verletzungsintensität ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass vorliegend die Angebote über Ebay erfolgt sind und damit einer breiten, nahezu unbegrenzten Öffentlichkeit zum Kauf angeboten wurden, und zwar ohne dass der anbietende Antragsgegner hierzu besondere Aufwendungen hätte tätigen müssen.

Demgegenüber können die vom Antragsgegner vorgetragenen geringen Umsatzzahlen wie auch sein geringer Gewinn keine maßgebliche Berücksichtigung finden. Vorliegend macht die Antragstellerin einen Anspruch geltend, der als Unterlassungsanspruch auf die Zukunft gerichtet ist. Er dient gerade dazu, zukünftige Verletzungen frühzeitig zu unterbinden und für die Zukunft zu verhindern. Dass der Antragsgegner lediglich diejenigen Umsätze erzielt haben mag, die er in seinem Beschwerdeschriftsatz vortragen lassen hat, liegt also weniger darin begründet, dass das Verhalten des Antragsgegners keine große Verletzungsintensität gehabt hätte, sondern vielmehr daran, dass dieses Verhalten durch ein frühzeitiges Einschreiten der Antragstellerin unterbunden wurde. Dies hat jedoch auf die Streitwertbemessung, nämlich das Interesse der Antragstellerin an der Unterbindung zukünftiger Verletzungshandlungen, keine Auswirkung.

Soweit der Antragsgegner darüber hinaus geltend macht, er sei relativ kurz im Geschäft, was ebenfalls bei der Höhe des Streitwerts zu berücksichtigen sei, fällt dies ebenfalls nicht sonderlich ins Gewicht, (…).

Diese Umstände lassen nicht erkennen, dass die Geschäftstätigkeit des Antragsgegners einen derart geringen Umfang hätte, dass sie maßgeblichen Einfluss auf die Streitwertbemessung haben könnte. Insbesondere ist der Fall nicht mit denen vergleichbar, in denen der Verletzer seiner Ansicht nach als privater Verkäufer auftritt, aufgrund der Anzahl der von ihm vertriebenen Produkte aber „so gerade mal“ in rechtlicher Hinsicht als gewerblicher Verkäufer angesehen werden muss, so dass ihn die Vorschriften des UWG – subjektiv unerwartet – treffen.

2. Wie oben unter Ziffer 1. dargestellt ist aber auch zu berücksichtigen, welches Streitwertinteresse die Antragstellerin zu Beginn des Verfahrens angegeben hat. Maßgeblich sind insoweit jedoch vorliegend nicht die angegebenen EUR 250.000,- in der Antragsschrift, sondern die in der als Anl. ASt 6 vorgelegte Abmahnungen angegebenen EUR 250.000,-. Dort jedoch war nicht nur der hier streitgegenständliche Anspruch aus UWG geltend gemacht, sondern darüber hinaus ein eigenständiger Anspruch aus Geschmacksmusterrechten sowie weitere Folgeansprüche auf Auskunft, Rechnungslegung, Vernichtung und Schadensersatz.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheint vorliegend eine Festsetzung in Höhe von EUR 100.000,– angemessen, aber auch ausreichend. Dieser Streitwert spiegelt auch unter Berücksichtigung der Angaben der Antragstellerin in der Antragsschrift ihr wirtschaftliches Interesse an der Unterbindung der streitgegenständlichen Verhaltensweise, gestützt auf Nachahmungs- und Irreführungsschutz aus Wettbewerbsrecht wider.

4. Eine weitere Reduzierung dieses Streitwerts war demgegenüber nicht angezeigt. Dies betrifft zum einen die Argumente, die bereits oben unter Ziffer 2. mit einbezogen wurden, ferner aber auch diejenigen weiteren Argumente aus dem Beschwerdeschriftsatz des Antragsgegners. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass ihm ein besonders geringer Verschuldensgrad zu Gute kommen kann, der sich insbesondere aus seinem nach der Abmahnung gezeigten Verhalten ergeben würde. Denn entgegen dem Vortrag des Antragsgegners im Beschwerdeschreiben vom 03.06.2013 hat der Antragsgegner – und zwar auch unter Berücksichtigung des Inhalts des Schreibens gemäß Anl. B 3 vom 24.04.2013 – keineswegs unverzüglich die, eindeutige Rechtsverletzung eingeräumt und sofort erkannt, dass er die Körbe nicht hätte veräußern dürfen. Aus Anl. B 3 ergibt sich vielmehr, dass der Antragsgegner davon ausgegangen ist, dass die geltend gemachten Ansprüche der Antragstellerin im Wesentlichen nicht bestünden, da bereits die vorgelegte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung unzulässig und sogar rechtsmissbräuchlich gewesen sein soll. Deswegen seien an sich die geltend gemachten Ansprüche vollumfänglich zurückzuweisen. Gestützt auf dieses Schreiben kann auch die seitens des Antragsgegners nunmehr vorgebrachte Argumentation, es handle sich um eine Angelegenheit, die nach Art und Umfang einfach im Sinne von § 12 Abs. 4 UWG gelagert sei, nicht überzeugen.

Schließlich kann auch auf den abschließenden Vortrag des Antragsgegners, ein Streitwert von EUR 250.000,- habe eine existenzvernichtende Kostenbelastung für ihn zur Folge, eine über die vorgenommene Reduzierung hinausgehende Herabsetzung des Streitwerts nicht gestützt werden. (…)

Anm.: Nicht rechtskräftig. Der Streitwert wurde vom OLG München (6 W 6040/13) mit Beschluss vom 09.10.2013 auf 75.000 EUR reduziert.