AG Bremen: Zum Ausgleichsanspruch nach Art. 7 EGFluggastrechteVO (Reiserecht)

Geschäfts-Nr.: 23 C 0301/12
Verkündet am 17.04.2013

URTEIL

In dem Rechtsstreit

Kläger
Prozessbevollm.: RAe Witte & Steveker, Sulingen, zu 00348-12/BS/Oe

gegen
Prozessbevollm.: RAe K Köln,

hat das Amtsgericht Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 06.02.2013 durch Richter am Amtsgericht Dr. B für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 800,00 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 26.06.2012 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten von 163,03 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.09.2012 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ausgleichsansprüche im Zusammenhang mit Flugleistungen.

Der Kläger buchte mit seiner Ehefrau eine Pauschalreise von Bremen nach AntaIya/Türkei. Der Hinflug sollte ursprünglich um 14.45 Uhr stattfinden. Tatsächlich fand dieser allerdings erst um 23.00 Uhr statt. Grund für diese Verspätung war ein Reifenschaden am Flugzeug der Beklagten. Ein Wechsel des Reifens war dabei unerlässlich. Die Beklagte verfügte nicht über einen Ersatzreifen am Standort Bremen und ließ einen solchen aus den Niederlanden bringen. In Ermangelung einer Ersatzmaschine kam es sodann zu der Verspätung des Fluges.

Mit Schreiben vom 12.06.2012 forderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers erfolglos die Beklagte unter Fristsetzung zum 22.06.2012 zur Zahlung des Ausgleichsanspruchs in Höhe von 400,00 EUR für den Kläger sowie 400,00 für die Ehefrau des Klägers auf. Unter dem 03.08.2012 trat die Ehefrau des Klägers Ansprüche aus der Flugverzögerung gegen die Corendon Airlines an den Kläger ab (Anlage K 3, BI. 7 d.A.).

Der Kläger beantragt mit der am 26.09.2012 zugestellten Klage, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag von 800,00 EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.06.2012 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 163,03 EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte rügt die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Bremen.
Die Beklagte behauptet, dass der Pilot der Beklagten bereits bei der Landung des Flugzeuges in Bremen lediglich eine schwache Bremswirkung des Fahrwerks verspürt habe. Die daraufhin durchgeführte Kontrolle habe ergeben, dass das Profil eines Reifens abgeblättert sei. Die Ursache hierfür sei allerdings ungeklärt geblieben. Ein Verschleiß oder eine schlechte Qualität des Reifen sei dabei aber nicht ursächlich. Bei einem früheren Flug am gleichen Tag habe der Pilot der Beklagten eine solche schwache Bremsleistung allerdings noch nicht feststellen können, weshalb sich der Defekt am Flugzeug vermutlich bei der Landung in Bremen ereignet habe. Ursache sei eine einmalige äußere Einwirkung eines Gegenstandes auf der Rollbahn des Bremer Flughafens gewesen sein.
Die Beklagte vertritt die Ansicht, bei dem Reifenschaden handele es sich um einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art. 5 Abs. 3 EG-FluggastrechteVO, der sie von der Verpflichtung zur Ausgleichszahlung befreit.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.
Die Klage ist zulässig. Dabei ist das Amtsgericht Bremen international und örtlich zuständig. Dabei hat das Gericht die internationale Zuständigkeit auch ohne Rüge von Amts wegen zu prüfen. Das Amtsgericht Bremen ist gem. Art. 4 Abs. 1 EuGVO i.V.m. §§ 12 ff. ZPO international zuständig. Gemäß Art. 4 Abs. 1 EuGVO bestimmt sich die internationale Zuständigkeit bei Nichtgeltung der EuGVO nach autonomem nationalem Recht. Das gebietet die Heranziehung der die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit regelnden §§ 12 ff. ZPO auch für die internationale Zuständigkeit. Vorliegend ist dabei der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes gemäß § 29 Abs. 1 ZPO begründet.

Der von dem Kläger geltend gemachte Ausgleichsanspruch nach Art. 7 EGFluggastrechteVO ist aus einem Vertragsverhältnis i.S.v. § 29 Abs. 1 ZPO entstanden.
Das Erfordernis „aus einem Vertragsverhältnis“ ist weit auszulegen und schon dann erfüllt, wenn die Streitigkeit im Zusammenhang mit einem Vertrag steht und aus dem Vertragsverhältnis herrührt. Bei den von dem Kläger geltend gemachten Mindestrechten im Falle der Annullierung eines Flugs handelt es sich um gesetzliche Ansprüche, die nicht aus dem Beförderungsvertrag folgen, den der Fluggast etwa mit dem Luftfahrtunternehmen abgeschlossen hat. Vielmehr richten sich die dem Fluggast eingeräumten Ansprüche gegen das ausführende Flugunternehmen, mit dem vertragliche Beziehungen nicht notwendigerweise bestehen müssen. Dennoch handelt es sich um einen Anspruch auf vertraglicher Grundlage, denn Voraussetzung für die Anwendung der EG-FluggastrechteVO ist gem. deren Art. 3 II lit. a, dass die Fluggäste über eine bestätigte Buchung verfügen, was regelmäßig das Bestehen eines Beförderungsvertrags voraussetzt -sei es mit dem ausführenden Luftfahrtunternehmen, sei es mit einem anderen Unternehmen, für das jenes die Beförderungsleistung erbringt (vgl. BGH, Urt. v. 18.01.2011 — X ZR 71/10).
Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

Der Kläger hat über eine bestätigte Buchung verfügt, da er nebst seiner Frau ansonsten nicht befördert worden wäre. Aus dem Umstand der späteren tatsächlichen Beförderung des Klägers geht eindeutig hervor, dass die Beklagte den Kläger als Fluggast ausreichend akzeptiert und registriert hat, vgl. Art. 2 lit. g. der EGFluggastrechteVO. Insoweit kann dahinstehen, ob, wie die Beklagte behauptet, zwischen den Parteien ein direkter Luftbeförderungsvertrag bestanden hat oder die Beförderung Gegenstand eines (einheitlichen) Reisevertrages mit einem Drittunternehmen war (vgl. LG Frankfurt, Urt. v. 05.01.2012 — 2-24 S 145/11, Tz. 39).

Der Erfüllungsort für die streitige Verpflichtung liegt (auch) in Deutschland.
Insoweit hat der BGH (Urt. v. 18.01.2011 — X ZR 71/10, Tz. 32) ausgeführt, dass den Erfüllungsort im Sinne des § 29 ZPO für die mit der Klage geltend gemachte Verpflichtung (Ausgleichszahlungen) der Rechtsgedanke des Art. 5 Nr. 1 lit, b EuGVVO mit der darin zum Ausdruck gebrachten Wertentscheidung des Unionsrechts bestimmt.

Denn der geltend gemachte Anspruch findet seine Grundlage nicht unmittelbar in den im Beförderungsvertrag getroffenen vertraglichen Abreden, sondern ist Teil der von der EG-FluggastrechteVO zuerkannten gesetzlichen Mindestrechte. Die vertraglichen Beziehungen zwischen dem Fluggast und dem Luftbeförderungsunternehmen oder einem anderen Unternehmen sind nur Voraussetzung dafür, dass der Fluggast überhaupt die Mindestrechte nach der EG-FluggastrechteVO beanspruchen kann. Diese Mindestrechte werden vom Unionsrecht unabhängig vom Vertragsstatut einheitlich ausgestaltet. Teil dieser Ausgestaltung ist auch die vom nationalen Recht unabhängige Bestimmung des Erfüllungsorts für die Beförderungsverpflichtung in Art. 5 Nr. lit. b zweiter Spiegelstrich EuGVO, die nach der Rechtsprechung des EuGH jedenfalls bei vertraglicher Beziehung zwischen den Parteien auch für Ausgleichsansprüche nach der EG-FluggastrechteVO gilt (vgl. BGH, Urt. v. 18.01.2011 – X ZR 71/10).

Jedenfalls für die vorliegend geltend gemachten, vom Unionsrecht einheitlich ausgestalteten Mindestrechte ist für die Bestimmung des Erfüllungsorts der im Unionsrecht angelegte Rechtsgedanke maßgebend. Eine derartige Anknüpfung führt zugleich zu der von Erwägungsgrund 4 der EG-FluggastrechteVO bezweckten Harmonisierung auch hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit, da die Bestimmung unabhängig davon ist, ob der Kunde ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft oder aus einem Drittstaat in Anspruch nimmt. Zugleich sichert sie dem Kunden das in Erwägungsgrund 1 der EG-FluggastrechteVO angestrebte hohe Schutzniveau auch bei der gerichtlichen Durchsetzung seiner Ansprüche zu und schafft Rechtssicherheit (Urt. v. 18.01.2011 — X ZR 71/10, Tz. 34). Danach ist der im Streitfall vereinbarte Abflugort in Bremen auch als der Ort der Erfüllung im Sinne von § 29 ZPO zu betrachten und begründet den dortigen Gerichtsstand für die Klage auf Ausgleichszahlung. Denn im Fall einer Beförderung von Personen im Luftverkehr sind sowohl der Ort des vertragsgemäßen Abflugs als auch der Ort der vertragsgemäßen Ankunft des Flugzeugs gleichermaßen als die Orte anzusehen, an denen die Leistungen, die Gegenstand des Beförderungsvertrags im Luftverkehr sind, hauptsächlich erbracht werden (BGH, Urt. v. 18.01.2011 — X ZR 71/10, Tz. 35).
Unstreitig ist Bremen Abflugort gewesen. Für Klagen auf Ausgleichszahlungen ist das Amtsgericht Bremen daher international zuständig.
3. Aus gleichen Erwägungen ist das Amtsgericht Bremen auch örtlich gern. § 29 ZPO zuständig.

II.
Dem Kläger steht gern. Art. 5 Abs. 1 lit. c. i.V.m. Art. 7 Abs. 1 lit. b der EGFluggastrechteVO ein Anspruch in Höhe von 800,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz und vorgerichtlichen Anwaltskosten zu. Dabei kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass es sich bei dem vorliegenden Reifenschaden um einen außergewöhnlichen Umstand handelt, der gern. Art. 5 Abs. 3 der Verordnung EG Nr. 261/2004 (nachstehend: EG-FluggastrechteVO) zum Ausschluss der Ausgleichszahlung gern. Art. 7 der EG-FluggastrechteVO führt.

1. Dem Kläger stehen dabei 400,00 EUR aus eigenem Recht zu.
Der Anwendungsbereich der Verordnung ist eröffnet, da die Kläger ihren annullierten Flug auf einem Flughafen in Deutschland antreten wollten, Art 3 Abs. 1 lit. a. EGFluggastrechteVO. Darauf, dass die Beklagte kein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft im Sinne von Art. 2 Buchst. c der EG-FluggastrechteVO ist, kommt es nicht an (vgl. BGH, Urt. v. 18.01.2011 — X ZR 71/10, Tz. 37).
Dem steht auch nicht, wie die Beklagte meint, Art 3. Abs. 2 lit. a. EGFluggastrechteVO entgegen.
Denn eine unmittelbare vertragliche Beziehung zwischen dem Luftfahrtunternehmen und dem Reisenden bedarf es nicht. Aus dem Umstand der späteren tatsächlichen Beförderung des Klägers geht eindeutig hervor, dass die Beklagte den Kläger als Fluggast ausreichend akzeptiert und registriert hat, vgl. Art. 2 lit. g. der EGFluggastrechteVO.

Auch liegt eine Annullierung im Sinne des Art. 5 der EG-FluggastrechteVO vor.
Unstreitig hatte der von der Beklagten durchgeführte Flug von Bremen Flughafen nach Antalya (Türkei) eine Abflugverspätung von ca. neun Stunden, so dass der Kläger entsprechend verspätet am Zielort eintraf. Nach dem Wortlaut der Norm steht der Ausgleichsanspruch nach Art. 7 i. V. m. Art. 4 und 5 der EG-FluggastrechteVO nur denjenigen Passagieren zu, die nicht befördert oder deren Flug annulliert wurde. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vom 19.11.2009 (Urt. v. 19.11.2009 — C-402107 = NJW 2010, 43), der sich das erkennende Gericht anschließt, ist Art. 7 der EG-FluggastrechteVO aber auch dann anwendbar sein, wenn Passagiere wegen eines verspäteten Fluges einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden, so dass der Kläger die Zahlung eines Ausgleichanspruchs in Höhe von 400,00 EUR gem. Art. 7 Abs. 1 lit. b. EG-FluggastrechteVO verlangen kann.
Eine Verspätung von mehr als drei Stunden ist vorliegend unstreitig gegeben.
c) Dem Anspruch steht auch nicht, wie die Beklagte meint, Art. 5 Abs. 3 der EGFluggastrechteVO entgegen.
Der Vortrag der Beklagten ist bereits unsubstantiiert. Denn letztlich vermutet die Beklagte lediglich, dass der Schaden auf eine Einwirkung eines Gegenstandes auf der Rollbahn herrührt.
Aber selbst die Vermutung der Beklagten als wahr unterstellt, rechtfertigt nicht die Annahme eines außergewöhnlichen Umstandes im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der EGFluggastrechteVO.
Sie hat nicht dargetan, dass der verspätete Abflug (bzw. die um diese Zeit verzögerte Ankunft) auf außergewöhnliche Umstände zurückging, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Nach der Rechtsprechung des EuGH fällt ein technisches Problem nur dann unter den Begriff des außergewöhnlichen Umstands, wenn es auf Vorkommnisse zurückgeht, die aufgrund der Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind (EuGH, Urt. v. 22.12.2008 – Rs. C-549107). Ziel des strengen Art. 5 EGV 261/2004 ist es, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen und den Erfordernissen des Verbraucherschutzes im Allgemeinen Rechnung zu tragen, da die Annullierung – und entsprechend die gravierende Verspätung – von Flügen für die Fluggäste ein Ärgernis ist und ihnen große Unannehmlichkeiten verursacht (EuGH, Urt. v. 22.12.2008 – C-549/07). Außergewöhnliche Umstände sind im Lichte dieser Zielsetzung nur anzunehmen, wenn sich die Umstände auch bei Ergreifen aller zumutbaren Maßnahmen nicht vermeiden lassen; alleine der Umstand, dass ein Luftfahrtunternehmen die gesetzlich vorgeschriebenen Mindesterfordernisse an Wartungsarbeiten an einem Flugzeug durchgeführt hat, reicht dazu nicht aus. Technische Defekte, wie sie beim Betrieb eines Flugzeugs gelegentlich auftreten können, begründen für sich gesehen nach diesen strengen Anforderungen des Art. 5 Abs. 3 der EG-FluggastrechteVO daher an sich keine außergewöhnlichen Umstände, die das Luftfahrtunternehmen von der Verpflichtung der Ausgleichszahlung befreien können (vgl. AG Frankfurt, Urt. v. 24.06.2011 — 31 C 961111, Tz. 20; BGH, Urt. v. 18.01.2011 – — X ZR 71/10, Tz. 40).

Als außergewöhnlicher Umstand kann ein technisches Problem nach der Rechtsprechung des EuGH nur dann angesehen werden, wenn es seine Ursache in einem der in Erwägungsgrund 14 der EG-FluggastrechteVO genannten Umstände hat, beispielsweise auf versteckten Fabrikationsfehlern, Sabotageakten oder terroristischen Angriffen beruht (BGH, Urt. v. 18.01.2011 – — X ZR 71/10, Tz. 40). Technische Defekte, die weder auf Wartungsmängel noch auf verdeckte Fabrikationsfehler, Sabotageakte oder terroristische Handlungen zurückgehen, begründen daher grundsätzlich keine außergewöhnlichen Umstände. Denn diese technische Probleme eines Flugzeugs sind untrennbar mit dessen Betrieb verbunden und fallen daher unabhängig von deren Erkennbarkeit oder Vermeidbarkeit entgegen der Auffassung der Beklagten in den Risikobereich des Luftfahrtunternehmens (Bosch/Lorz, NZV 2013, 105, 107).
Danach liegt kein außergewöhnlicher Umstand vor, der die Beklagte berechtigt, von ihrer Pflicht zur Ausgleichszahlung gern. Art. 5 Abs. 3 EG-FluggastrechteVO frei zu werden. Denn durch die Beschädigung des Reifens hat sich lediglich die Betriebsgefahr des Flugzeuges verwirklicht. Dass ein Reifenschaden – als wahr unterstellt – durch einen äußeren Einfluss auf den Landevorgang des Flugzeugs entstanden wäre, änderte nichts an dem Umstand, dass es dabei letztlich um eine Situation in der Risikospähre des Luftfahrtunternehmens handelt. Auch wenn dies für die Beklagte unvermeidbar war, handelt es sich jedoch nicht um einen Umstand, der es rechtfertigt, einen restriktiv auszulegenden außergewöhnlichen Umstand anzunehmen.
Darauf, dass die Beklagte keine Reifen am Standort Bremen vorrätig hatte, kommt es darüber hinaus nicht an. Dies alleine begründet keinen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art. 5 Abs. 3 EG-FluggastrechteVO, auch wenn dieser Umstand letztlich die Verspätung des Fluges bedingt hat. Denn auch bezüglich der Beschaffung eines Ersatzreifens trägt die Beklagte das Risiko einer Verspätung nach der EG-FluggastrechteVO.
Dem Anspruch steht auch nicht entgegen, dass ein Verschulden der Beklagten nicht zur Last fällt, wenn Sie vorträgt, dass es um der Flugsicherheit wegen geboten ist, den entsprechenden Reifen zu wechseln. Der Anspruch auf Ausgleichszahlung knüpft nur an die Annullierung als solche an. Auf ein Verschulden des Luftfahrtunternehmens kommt es gerade nicht an.

2. Dem Kläger stehen auch 400,00 EUR aus abgetretenem Recht zu. Der Anspruch der Ehefrau, der sich auf gleiche Gründe stützt, ist aufgrund des Abtretungsvertrages vom 03.08.2012 auf den Kläger übergegangen. Der Abtretung steht dabei insbesondere nicht entgegen, dass die Ehefrau Ansprüche gegen die Corendon Airlines auf den Kläger übertrug. Denn beide Parteien des Abtretungsvertrages gingen davon aus, dass die Corendon Airlines Rechtsträger des Luftfahrtunternehmens ist. Da es sich tatsächlich bei der Beklagten um den Rechtsträger handelt, war diesen nicht bewusst. Insoweit handelt es sich um einen Fall der irrtümlichen Falschbezeichnung.

III.
1. Die Zinsansprüche der Hauptforderung unterliegen deutschem Recht und stehen dem Kläger gern. §§ 286, 288 BGB zu; für die Nebenforderung ergibt sich der Zinsanspruch aus §§ 288, 291 BGB.
Bei dem geltend gemachten Zinsen als Verzugsschaden handelt es sich um einen weitergehenden Schadensersatzanspruch des Klägers im Sinne von Art. 12 EGFluggastrechteVO, der nach dem jeweils für die Buchung anwendbaren nationalen Vertragsrecht zu beurteilen ist (vgl. BGH, Urt. v. 28.08.2012 — X ZR 128/11, Tz. 29). Dabei ist die das nationale Internationale Privatrecht ersetzende Verordnung EG Nr. 593/2008 (nachstehend: Rom-I-VO) anwendbar.
Dabei ergibt sich die Anwendung deutschen Rechts bereits aus Art. 5 Abs. 2 der Rom-l-VO. Danach findet dasjenige nationale Recht auf Beförderungsverträge mangels einer Rechtswahl Anwendung, in dem die zu befördernde Person ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort hat, sofern sich in diesem Staat auch der Abgangsort oder der Bestimmungsort befindet.
Danach findet deutsches Recht Anwendung.
aa) Zwischen den Parteien besteht ein Beförderungsvertrag im Sinne des Art. 5 Abs. 2 der Rom-I-VO, denn auf eine direkte vertragliche Beziehung zwischen den Parteien kommt es nicht an (vgl. unter Berücksichtigung des Tatbestandes: BGH, Urt. v. 28.08.2012 — X ZR 128/11, Tz. 30).
Aus Art. 6 Abs. 4 fit. b. Rom-I-VO wird hinreichend deutlich, dass es sich auch bei Pauschalreiseverträge, wie vorliegend, um Beförderungsverträge im Sinne der Rom-I-VO handelt. Dem steht auch nicht entgegen, dass Pauschalreiseverträge im Sinne der Richtlinie 90/314/EWG vom 13.06.1990 gern. Art. 6 Abs. 4 lit. b. Rom-I-VO auch von Art. 6 Abs. 1 und 2 erfasst werden (a.A. BeckOK/Spickhoff, BGB, VO (EG) 593/2008, Art. 5, Rn. 15).
Zusätzlich streitet dafür der Wille des europäischen Verordnungsgebers. Ausweislich des Erwägungsgrundes 23 der Rom-I-VO soll bei Verträgen diejenige Partei geschützt werden, die als schwächer angesehen wird. Dies ist in aller Regel der Reisende und nicht das Flugunternehmen. Nach dem Erwägungsgrund 31 der Rom-IVO soll dabei wegen der Besonderheit des Beförderungsvertrages den befördernden Personen ein angemessenes Schutzniveau gewährleisten. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob eine unmittelbare vertragliche Beziehung zwischen dem Flugunternehmen und dem Reisenden besteht oder diese Beziehung gemittelt über einen Reiseveranstalter ist. Denn die Interessenlage des Reisenden beider Konstellationen ist dieselbe. Unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm steht eine Pauschalreise der Anwendung des Art. 5 Abs. 2 Rom-l-VO nicht entgegen.
bb) Eine Rechtswahl wurde von den Parteien nicht vorgetragen. Der Kläger als die zu befördernde Person hat seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland. Daneben war Deutschland auch Abflugsort als Abgangsort im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Rom-l-VO.
cc) Ob darüber hinaus die gebuchte Pauschalreise eine solche im Sinne der Richtlinie 90/314/EWG vom 13.06.1990 ist somit dem Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 1, 2 Rom-I-VO unterfällt, wonach auch deutsches Recht Anwendung findet, kann nach alledem dahin stehen.
dd) Die Beklagte befand sich darüber hinaus ab dem 23.06.2012 in Verzug.
Dabei kann dahinstehen, ob, wie der Kläger meint, die Beklagte mit Schreiben vom 26.06.2012 ihre Leistung ernsthaft und endgültig ablehnte, § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Denn durch das Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 12.06.2012 hat dieser wirksam gemahnt, so dass Verzug eingetreten ist. Aus dem Schreiben ist klar erkennbar zum Ausdruck gebracht worden, dass der die Vornahme der geschuldeten Leistung bis spätestens zum 22.06.2012 verlangt, so dass Verzug mit dem 23.06.2012 eingetreten ist.
ee) Der Kläger ist auch bezüglich des abgetretenen Anspruchs seiner Ehefrau aktiv legitimiert. Denn die Auslegung des Abtretungsvertrages, welcher „die Ansprüche aus der Flugverzögerung“, gegen die Beklagte umfasst, ergibt nach dem objektiven
Empfängerhorizont gern. §§ 133, 157 BGB, dass auch die Verzugszinsen von der Abtretung umfasst seien sollen.

Der Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten ergibt sich als adäquat kausale Folge des Ausgleichsanspruchs. Dabei konnte die 1,5-Gebühr angesetzt werden, weil der Fall durch die Berührung mit dem internationalen Zivilverfahrens-und Privatrecht schwierig war. Die Erhöhung für die Ehefrau des Klägers ergibt sich daraus, dass insoweit die Abtretung auch die Anwaltskosten erfassen soll.
Die Anwaltskosten sind ab dem 27.09.2012 zu verzinsen, §§ 288, 291 BGB.
Denn der vorliegende Rechtsstreit wurde unter dem 26.09.2012 mit Zustellung der Klage gern. § 183 ZPO in den Niederlanden rechtshängig.

Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.