Frank Witte

Frank Witte

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Spezialist für Bußgeldsachen

Mithaftung trotz Vorfahrt: Die „halbe Vorfahrt“ und ihre Auswirkungen

Unfälle an Kreuzungen mit „rechts vor links“ werfen oft die Frage auf, ob der Vorfahrtsberechtigte mithaftet. Besonders das Prinzip der „halben Vorfahrt“ spielt dabei eine Rolle. Doch wann gilt es und wann nicht?

  1. Grundsatz: Vorfahrt bedeutet nicht immer volle Haftung des Anderen

Wer die Vorfahrt missachtet, haftet in der Regel voll, § 8 StVO. Doch bei schlecht einsehbaren Kreuzungen kann der Vorfahrtsberechtigte mithaften, wenn er sich nicht mit mäßiger Geschwindigkeit nähert, § 8 II 1 i. V. m. § 3 StVO.

  1. Keine „halbe Vorfahrt“ bei guter Sicht

Eine Mithaftung entfällt, wenn die Kreuzung gut einsehbar ist (OLG Hamm, 7 U 35/18; KG Berlin, 29 U 45/15). Der Vorfahrtsberechtigte darf dann davon ausgehen, dass Wartepflichtige seine Vorfahrt beachten.

  1. Geschwindigkeitsüberschreitung des Vorfahrtsberechtigten

Eine geringe Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit führt nicht automatisch zu einer Mithaftung. Entscheidend ist, ob der Vorfahrtsberechtigte noch rechtzeitig hätte reagieren können (LG Freiburg, 11 O 41/15).

  1. Beweislast & Absicherung
  • Der Wartepflichtige muss nachweisen, dass
    • Der Vorfahrtsberechtigte mit unangepasster Geschwindigkeit in die Kreuzung eingefahren ist.
    • Die schlechte Sicht eine niedrigere Geschwindigkeit erforderlich gemacht hätte.
    • Diese Faktoren unfallursächlich waren.

In der Praxis ist dieser Nachweis schwierig und oft nur durch ein Sachverständigengutachten möglich.

  • Der Vorfahrtsberechtigte sollte nach einem Unfall Fotos der Kreuzung machen, um die Sichtverhältnisse zu dokumentieren.

Wann haftet der Vorfahrtsberechtigte mit?

SituationMithaftung?
Gute Sicht auf die Kreuzung❌ Nein
Schlechte Sicht + angemessene Geschwindigkeit❌ Nein
Schlechte Sicht + zu hohe Geschwindigkeit✅ Ja (ca. 25 %)
Leichte Geschwindigkeitsüberschreitung bei guter Sicht❌ Nein
  1. Rechtliche Unterstützung

Versicherungen versuchen oft, dem Vorfahrtsberechtigten eine Mitschuld anzulasten. Ein Anwalt kann helfen, unberechtigte Kürzungen abzuwehren.


Gut zu wissen: Die gegnerische Versicherung muss die Anwaltskosten übernehmen, wenn der Unfall unverschuldet war.

📍 Wir beraten Sie kompetent in allen Fragen des Verkehrsrechts – an unseren Standorten in Sulingen, Bremen, Osnabrück oder Online.


📌 FAQ:

  1. Wann haftet der Vorfahrtsberechtigte mit?
    ➡ Bei schlecht einsehbaren Kreuzungen und unangepasster Geschwindigkeit kann eine Mithaftung von ca. 25 % entstehen.
  2. Was bedeutet „halbe Vorfahrt“?
    ➡ An Kreuzungen mit „rechts vor links“ müssen sich Fahrer vorsichtig nähern, da sie selbst Vorfahrt haben, aber auch Wartepflichtig sein können.
  3. Reicht eine leichte Geschwindigkeitsüberschreitung für eine Mithaftung aus?
    ➡ Nein, es muss nachgewiesen werden, dass die Geschwindigkeit ursächlich für den Unfall war.
  4. Was tun, wenn die Versicherung eine Mithaftung behauptet?
    ➡ Ein Anwalt kann helfen, unberechtigte Kürzungen abzuwehren und die volle Schadenssumme durchzusetzen.

 

Kim Mirow

Kim Mirow

Rechtsanwältin