Schadensersatz bei Nichtverlängerung der Arbeitszeit: Rechtsprechung stärkt Teilzeitkräfte
Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat kürzlich in einem Urteil (Urt. v. 27.03.2024, Az.: 2 Sa 265/23) entschieden, dass eine Bewerbung einer teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmerin auf eine Vollzeitstelle gleichzeitig als Antrag auf Verlängerung der Arbeitszeit nach § 9 TzBfG (Teilzeit- und Befristungsgesetz) gelten kann. Verweigert der Arbeitgeber dies ungerechtfertigt, kann die betroffene Person Schadensersatz verlangen. Das Urteil bringt neue Klarheit in die Rechte von Teilzeitbeschäftigten und Arbeitgeberpflichten bei Stellenbesetzungen.
Was besagt das Urteil?
In dem Fall hatte sich eine langjährige teilzeitbeschäftigte Mitarbeiterin auf eine ausgeschriebene Vollzeitstelle beworben. Obwohl sie die erforderlichen Qualifikationen erfüllte, entschied sich der Arbeitgeber für eine andere Kandidatin. Die Mitarbeiterin machte daraufhin Schadensersatz geltend und berief sich auf § 9 TzBfG. Das LAG Niedersachsen stellte fest, dass ihre Bewerbung auf die Vollzeitstelle zugleich als Antrag auf Verlängerung ihrer Arbeitszeit anzusehen sei.
Das Gericht betonte: Wird eine freie Stelle besetzt, und geht dadurch der Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Vertragsänderung verloren, hat der Arbeitgeber Schadensersatz zu leisten, wenn er den Arbeitszeitwunsch nicht berücksichtigt hat. Die Schadenshöhe richtet sich nach den finanziellen Nachteilen, die durch die verweigerte Vertragsänderung entstanden sind.
Die Rechte von Teilzeitbeschäftigten nach dem TzBfG
Teilzeitbeschäftigte haben nach § 9 TzBfG das Recht, bei der Besetzung von freien Arbeitsplätzen vorrangig berücksichtigt zu werden, wenn sie ihren Wunsch nach Arbeitszeitverlängerung rechtzeitig angezeigt haben. Der Arbeitgeber muss den Wunsch berücksichtigen, solange keine betrieblichen Gründe entgegenstehen oder andere Arbeitnehmer ähnliche Wünsche geäußert haben.
Die aktuelle Entscheidung unterstreicht die Bedeutung dieser Regelung. Der Arbeitgeber darf sich nicht darauf verlassen, dass eine Bewerbung auf eine Vollzeitstelle lediglich eine „Interessebekundung“ ist. Vielmehr muss er den Wunsch nach einer Vertragsänderung ernst nehmen.
Schadensersatz bei Nichtbeachtung
Spannend an der Entscheidung des LAG ist der Aspekt des Schadensersatzes. Verletzt ein Arbeitgeber die Rechte eines teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers, indem er einen freien Arbeitsplatz mit einer anderen Person besetzt und den Verlängerungswunsch ignoriert, haftet er für den finanziellen Schaden. In dem besprochenen Fall erhielt die Klägerin die Differenz zwischen ihrem Teilzeitgehalt und dem Gehalt der ausgeschriebenen Vollzeitstelle. Dabei ging es um erhebliche Beträge, die über mehrere Monate hinweg aufgelaufen sind.
Praktische Bedeutung für Arbeitgeber
Das Urteil ist ein klares Signal an Arbeitgeber, sorgfältig mit den Wünschen ihrer Teilzeitbeschäftigten umzugehen. Eine Stellenausschreibung und anschließende Besetzung ohne Berücksichtigung von Verlängerungswünschen kann teuer werden. Unternehmen sollten daher nicht nur die formal eingegangenen Bewerbungen prüfen, sondern auch darauf achten, ob der Bewerber zugleich eine Verlängerung der Arbeitszeit wünscht. Diese Entscheidung stärkt nicht nur die Rechte der Arbeitnehmer, sondern verpflichtet Arbeitgeber zu mehr Transparenz und Fairness bei der Besetzung von Stellen.
Fazit
Das Urteil des LAG Niedersachsen stellt sicher, dass Teilzeitkräfte bei der Besetzung von Vollzeitstellen fair behandelt werden. Arbeitgeber sollten sich bewusst sein, dass die Missachtung eines Verlängerungswunsches Schadensersatzansprüche nach sich ziehen kann. Teilzeitbeschäftigte profitieren von dieser Entscheidung, da sie ihre Arbeitszeit leichter ausweiten können, wenn sie auf eine offene Stelle im Unternehmen passen.
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- Welche Rechte haben Teilzeitbeschäftigte bei der Verlängerung ihrer Arbeitszeit?
Teilzeitbeschäftigte haben nach § 9 TzBfG das Recht, bei der Besetzung von freien Arbeitsplätzen vorrangig berücksichtigt zu werden, wenn sie ihren Wunsch nach Verlängerung der Arbeitszeit äußern. - Wann kann ein Arbeitgeber zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet werden?
Wenn ein Arbeitgeber den Verlängerungswunsch eines Teilzeitbeschäftigten ignoriert und eine freie Stelle mit einer anderen Person besetzt, kann er zum Schadensersatz verpflichtet werden, wenn dem Arbeitnehmer dadurch ein finanzieller Nachteil entsteht. - Was muss eine Bewerbung auf eine Vollzeitstelle beinhalten, damit sie als Arbeitszeitverlängerungsantrag gilt?
Eine einfache Bewerbung kann als Arbeitszeitverlängerungsantrag gelten, sofern sie deutlich macht, dass der Arbeitnehmer seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit erhöhen möchte. Ein gesondertes Schreiben ist in der Regel nicht erforderlich.