Arbeitsunfähigkeit und Krankheit im Arbeitsrecht: Wissenswertes für Arbeitnehmer
Die Themen Krankheit und Arbeitsunfähigkeit sind in der Arbeitswelt von zentraler Bedeutung. Dieser Artikel beleuchtet die wesentlichen Aspekte des Arbeitsrechts in Bezug auf Krankheitsfälle.
Krankmeldung und Ihre Pflichten
Seit dem 1. Januar 2023 hat sich der Prozess der Krankmeldung für gesetzlich Krankenversicherte in Deutschland geändert. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist nun digitalisiert und wird als elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) bezeichnet. Ärzte übermitteln die Krankmeldung direkt an die gesetzlichen Krankenkassen. Arbeitnehmer müssen die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung weder an die Krankenkasse noch an ihren Arbeitgeber übermitteln.
Es bleibt jedoch die Pflicht des Arbeitnehmers, den Arbeitgeber unverzüglich über die Arbeitsunfähigkeit zu informieren. Arbeitgeber haben weiterhin das Recht, bereits am ersten Tag der Krankheit ein ärztliches Attest zu verlangen, obwohl die Verpflichtung zur Vorlage eines solchen Attests in der Regel erst ab dem vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit besteht. Der Arbeitgeber ruft die Daten zur Krankschreibung elektronisch direkt bei der Krankenkasse ab.
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
Im Krankheitsfall haben Arbeitnehmer Anspruch auf Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber für bis zu sechs Wochen. Nach diesem Zeitraum springt in der Regel die Krankenkasse ein und zahlt Krankengeld, welches 70% des Bruttolohns oder maximal 90% des Nettolohns beträgt (§ 47 SGB V).
Kündigung während Krankheit
Eine krankheitsbedingte Kündigung ist möglich, aber an strenge gesetzliche Voraussetzungen gebunden. Arbeitgeber müssen nachweisen, dass erhebliche wirtschaftliche Einbußen durch die Krankheit des Arbeitnehmers entstehen und dass eine Weiterbeschäftigung unzumutbar ist. Zudem muss eine sogenannte Negativprognose vorliegen, die besagt, dass keine Besserung des Gesundheitszustandes des Arbeitnehmers in naher Zukunft zu erwarten ist.
Neue Krankheit nach sechs Wochen
Die jüngsten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) haben erhebliche Auswirkungen auf den Umgang mit Krankheit und Arbeitsunfähigkeit im Arbeitsrecht. Die Rechtsprechung klärt die Pflichten des Arbeitnehmers bei der Geltendmachung einer neuen Krankheit nach sechswöchiger Arbeitsunfähigkeit.
Ist ein Arbeitnehmer länger als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt und macht er eine neue Erkrankung für die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit geltend, muss er bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um weiterhin Entgeltfortzahlung zu erhalten. Das BAG-Urteil vom 18.01.2023 (Az. 5 AZR 93/22) und das vorangegangene Urteil vom 11.12.2019 (Az. 5 AZR 505/18) legen das folgende Verfahren für den Fall, dass der Arbeitgeber die neue Erkrankung bestreitet und es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommt, fest:
- Ärztliches Attest: Der Arbeitnehmer muss zunächst eine ärztliche Bescheinigung vorlegen, die idealerweise vom vorbehandelnden Arzt ausgestellt wird. Eine Erstbescheinigung eines anderen Arztes reicht allein nicht aus, um das Nichtvorliegen einer Fortsetzungserkrankung darzulegen.
- Umfassender substantiierter Vortrag: Der Arbeitnehmer muss die gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Beschwerden im maßgeblichen Zeitraum einschließlich ihrer Auswirkungen auf seine Arbeitsfähigkeit detailliert darlegen.
- Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht: Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, seine behandelnden Ärzte von der ärztlichen Schweigepflicht zu entbinden, damit der Arbeitgeber die Angaben überprüfen kann.
Kommt der Arbeitnehmer dieser Verpflichtung im Prozess nicht nach, wird vermutet, dass die ursprüngliche Krankheit fortbesteht. Dies hat zur Folge, dass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung erlischt.
Professionelle Beratung
Das Arbeitsrecht bietet Schutz für Arbeitnehmer im Krankheitsfall, setzt aber auch Pflichten voraus. Es ist wichtig, dass Arbeitnehmer ihre Rechte und Pflichten kennen und bei Unklarheiten professionellen Rat suchen, beispielsweise an unseren Kanzleistandorten in Sulingen, Bremen, Osnabrück oder im Rahmen einer Online-Beratung. Sprechen Sie uns an!
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