Frank Witte

Frank Witte

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Spezialist für Bußgeldsachen

Betrunken auf dem E-Scooter: Trotzdem kein Entzug der Fahrerlaubnis

Die Nutzung von E-Scootern ist seit Beginn der Corona-Krise stark gestiegen. Dabei kommt es zu vielen Verkehrsverstößen – die Folgen sind häufig gravierend, ohne das die Nutzer daran denken. So kostet bereits ein simpler Rotlichtverstoß ein Bußgeld und bringt einen Punkt im Fahreignungsregister. Viel Schlimmer sind die Folgen, wenn unter dem Einfluss von Alkohol gefahren wird, da der E-Scooter wie ein Kraftfahrzeug behandelt wird! Ab 0,5 Promille droht deshalb ein Bußgeld von 500€, ein Monat Fahrverbot und zwei Punkte in Flensburg. Ab 0,3 Promille und einem alkoholbedingten Fahrfehler (sog. Relative Fahruntüchtigkeit) und ab 1,1 Promille (sog. Absolute Fahruntüchtigkeit) droht eine Geldstrafe (i. d. R. ein Netto-Monatsgehalt), die Entziehung der Fahrerlaubnis und eine Sperre für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis).

In einem aktuellen Fall des Amtsgerichtes Hannover haben wir erreichen können, dass der Nutzer eines E-Scooters, der mit 1,2 Promille unterwegs war, nur zu einer kleinen Geldstrafe verurteilt wurde und das Gericht entsprechend unserer Argumentation davon ausgegangen ist, dass sich unser Mandant durch die Tat nicht als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat. Es wurde lediglich ein deklaratorisches Fahrverbot von drei Monaten verhängt, was durch die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis bereits abgegolten war, so dass unser Mandant seinen Führerschein direkt in der Verhandlung wieder ausgehändigt erhalten hat.

Die entscheidende Urteilspassage lautet wie folgt:

(…) Zur Überzeugung des Gerichts hat sich der Angeklagte durch die abzuurteilende Tat der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr nicht als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen. Er konnte nachvollziehbar darlegen, dass er sich der Gefahren der alkoholisierten motorisierten Teilnahme am Straßenverkehr sehr wohl bewusst ist. Obwohl er nicht vorhatte, viel Alkohol zu konsumieren, fuhr er aus diesem Grund zu der Feierlichkeit an jenem Abend vorsorglich nicht mit seinem PKW. Dass der von ihm genutzte E-Scooter ebenfalls als Kraftfahrzeug einzuordnen ist, war ihm nicht bewusst. Der E-Scooter wurde in der Nacht bei geringerem Verkehrsaufkommen auf einem Radweg geführt. Durch den Rotlichtverstoß wurde kein anderer Verkehrsteilnehmer beeinträchtigt. Alkoholbedingte Fahrunsicherheiten sind von Zeugen nicht beobachtet worden. Die Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit wurde nur geringfügig überschritten. In dieser besonderen Konstellation erscheint es ausreichend, neben der Geldstrafe ein Fahrverbot gemäß § 44 StGB als sogenannte Denkzettel- und Besinnungsstrafe festzusetzen. Die Dauer von 3 Monaten, die durch die Zeit der vom 15.01. bis 27.04.2022 erfolgten Sicherstellung seines Führerscheins und vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis bereits zur Zeit der Hauptverhandlung abgegolten war, erscheint ausreichend und angemessen, um dem Angeklagten das Unrecht seines Verhaltens nachdrücklich vor Augen zu führen. (…)

(Amtsgericht Hannover, Urteil v. 27.04.2022, Az. 220 Cs 7101 Js 5461/22)

Quintessenz: Sie sollten sich gegen jeden vorgeworfenen Verstoß mit einem E-Scooter (und natürlich auch mit anderen Fahrzeugen) zur Wehr setzen. Je nach Aktenlage gibt es unterschiedliche Verteidigungsmöglichkeiten, die häufig zum Erfolg führen.

Übrigens: in jedem von uns bearbeiteten Rechtsgebiet bieten wir eine kostenlose telefonische Ersteinschätzung Ihres Falls an.