Frank Witte

Frank Witte

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Spezialist für Bußgeldsachen

VGH München: MPU ab 1,6 Promille bei Radfahrern unabhängig von Fahrstrecke

Die Luft für Radfahrer wird zunehmend dünner… In einem Urteil vom 05.02.2021 (Az.: 11 ZB 20.2611) hat der VGH München entschieden, dass auch bei einer nur sehr kurzen Fahrstrecke mit dem Rad ab 1,6 Promille die Anordnung zur Beibrin­gung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU) rechtens ist. Auf die Promille, nicht aber auf die Länge der Alkoholfahrt kommt es an.

Sachverhalt:

In dem Fall ist der Kläger im Juli 2017 mit dem Fahrrad auf dem Gehweg gefahren. Angesichts der unsicheren Fahr­weise und des nicht eingeschalteten Lichts kam es zur polizeilichen Verkehrskontrolle. Es wurde eine Blutalkoholkonzentration von 1,75 Promille festgestellt. Der Radfahrer räumte eine Fahrt von 50 Meter auf dem Gehweg zur Tankstelle ein. Er wurde zu einer Geldstrafe von 30 Tagess­ätzen wegen fahrlässiger Trunkenheitsfahrt verurteilt.

Die Fahrerlaubnisbehörde hatte daraufhin Eignungszweifel wegen eines „unkontrollierten Alko­holkonsums“. Sie ordnete die Beibringung eines MPU-Gutachtens an, um zu klären, ob der Fahr­erlaubnisinhaber ein ausreichendes Trennungsvermögen zwischen Alkoholkonsum und Teil­nahme am Straßenverkehr (insbesondere bei fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen) hat. Mangels Vorlage des Gutachtens erfolgte die Entziehung der Fahrerlaubnis.

Der Kläger berief sich auf die sehr kurze Fahrt auf dem Gehweg zur Nachtzeit, so dass keine Ge­fährdungslage vorgelegen habe. Daher sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht beachtet worden. Dieser Meinung folgte das VG Würzburg nicht. Die Voraussetzungen nach § 11 Abs. 8 und § 13 S. 1 Nr. 2 c FeV lägen vor, eine Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrzeug mit mehr als 1,6 Promille wurde rechtskräftig festgestellt. Ob die Fahrradfahrt nur wenige Meter auf einem Gehweg und damit auf einem Teil des öffentlichen Straßenverkehrs erfolgte, sei unbeachtlich.

Entscheidungsgründe:

Der VGH München bestätigte diese Auffassung und lehnte den Antrag auf Zulassung der Berufung ab. Der Fahrerlaubnisbehörde ist bei der Entscheidung nach § 13 S. 1 Nr. 2 c FeV kein Ermessen eingeräumt. Für die Frage der Rechtmäßigkeit der Anforderung ist das zu erwartende zukünf­tige Gefährdungspotential maßgebend. Durch eine entsprechende Trunkenheitsfahrt werden ungeachtet der Länge oder Art der ge­fahrenen Strecke, der Art des Fahrzeugs, der Uhrzeit, des Ausmaßes der Überschreitung der 1,6 ‰-Grenze oder einer konkreten Gefährdung die Voraussetzungen für die MPU-Anordnung erfüllt. Besondere Umstände des Einzelfalles sind nicht zu berücksichtigen, die Verhältnismäßig­keit ist gewahrt. Angesichts der Alkoholproblematik sei der Aufwand für eine solche Untersu­chung wegen der Gefahren für den Straßenverkehr gerechtfertigt. Es gibt keinen Entschei­dungsspielraum der Behörde.

Praxistipp für alle Radfahrer:

Natürlich sollte man auch auf dem Rad nicht mit 1,6 Promille oder mehr unterwegs sein. Wenn es aber dennoch passiert, muss in dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren unbedingt auf eine Einstellung des Verfahrens hingewirkt werden, um die dargestellte fahrerlaubnisrechtliche Problematik zu vermeiden. Die Chancen dafür sind umso größer, je früher ein hierauf spezialisierter Fachanwalt für Verkehrsrecht beauftragt wird!

Wir vertreten an unseren Standorten in Sulingen, Bremen und Osnabrück ständig Mandanten im Verkehrsstrafrecht (Trunkenheit im Verkehr, Fahrten unter Drogeneinfluss, konkrete Straßenverkehrsgefährdung (z. B. „Raserei“, verbotene Straßenrennen etc.), Unfallflucht, Fahren ohne Fahrerlaubnis usw.) und wissen deshalb genau, was gegenüber der Staatsanwaltschaft vorgetragen werden muss, um eine Einstellung des Verfahrens zu erreichen.

Bei klarer Rechtslage aufgrund eines rechtskräftigen Urteils und Überschreitung des Grenzwer­tes von 1,6 Promille ist es im Übrigen wichtig, keine Zeit zu verschenken und sich frühzeitig auf die dann nicht zu vermeidende MPU vorzubereiten. Auch hierbei begleiten wir unsere Mandanten einschließlich der Benennung von professionellen Vorbereitern, ohne die kaum ein Betroffener die MPU besteht.

Übrigens: Auch bei Fahrten unter Alkohol oder Drogen mit anderen Zweirädern (insbesondere S-Pedelec, E-Bike und auch E-Scooter) drohen je nach dem Grad der Alkoholisierung in den Bußgeld- oder Strafverfahren hohe Bußgelder, Geldstrafen, Fahrverbote oder sogar die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Anordnung einer MPU. Die rechtzeitige Verteidigung gegen die Vorwürfe ist in diesen Fällen also genauso wichtig wie bei Verstößen mit dem „normalen“ Fahrrad.

Kim Mirow

Kim Mirow

Rechtsanwältin